Andauernde Zerbrechlichkeit

RAUTE Galatasaray Istanbul übertölpelt den FC Schalke 04 mit einem einfachen taktischen Kniff. Dessen Trainer muss sich nun schon wieder fragen lassen, wie gut seine Mannschaft eigentlich funktioniert

AUS GELSENKIRCHEN DANIEL THEWELEIT

Die Voraussetzungen waren perfekt für einen dieser denkwürdigen Europapokalabende, als Michel Bastos eine halbe Stunde vor dem Abpfiff zum 2:2 für Schalke 04 gegen Galatasaray Istanbul getroffen hatte. Der erstarkte Bundesligist brauchte ein weiteres Tor, um das Viertelfinale der Champions League zu erreichen. Die Euphorie des rechtzeitigen Treffers, der Schwung einer beginnenden Aufholjagd und überhaupt die gute Schalker Vorgeschichte mit dem Derbysieg vom Samstag ergaben ein wunderbares Sujet für eine unvergessliche Nacht. Doch die Mixtur zündete einfach nicht. Publikum und Mannschaft mühten sich ohne Kraft und Esprit. Am Ende schied der Revierklub mit einer 2:3-Niederlage aus.

Schon die ganze erste Halbzeit war geprägt von einer fatalen Energielosigkeit. „Dieser unbedingte Wille, diese Gier, einfach erfolgreich zu bleiben, hat mir in der ersten Halbzeit ein bisschen gefehlt“, formulierte Benedikt Höwedes später vorsichtig. Auf die Frage, wie das ausgerechnet in einem solch großen Spiel passieren konnte, wusste der Schalker Kapitän keine Antwort. „Vielleicht hatten wir ein bisschen zu viel Respekt“, mutmaßte Julian Draxler, einer der wenigen, die sich nicht von der Verunsicherung anstecken ließen, und lieferte noch eine zweite mögliche Erklärung: „Oder wir hatten den Gedanken in unseren Hinterköpfen, dass wir mit einem 0:0 in Führung liegen.“

Das würde erklären, warum Roman Neustädters eher zufälliger Treffer zum 1:0 (17.), das von Zaghaftigkeit geprägte Schalker Spiel kein bisschen sicherer machte. Erst nach den völlig verdienten Toren der Türken Hamit Altintop (37.) und Burak Yilmaz (42.) spiegelte das Ergebnis auch die Kräfteverhältnisse auf dem Rasen. Vor dem ersten Tor hatten die Schalker sich derart verängstigt in den eigenen Strafraum zurückgezogen, dass niemand zur Stelle war, als Altintop aus fast 30 Metern schoss. Und vor dem zweiten Treffer versuchte Höwedes Yilmaz zu blocken, statt den Ball entschlossen zu klären.

Neben der seltsamen Furchtsamkeit gab es aber noch einen zweiten Aspekt, der als Erklärung für die misslungene erste Halbzeit taugen könnte. Fatih Terim, dieser ziemlich spezielle Trainer der Türken, hatte die Schalker mit einer Mittelfeldformation überrascht, in der Wesley Sneijder das offensive Zentrum einer Raute bildete. „So haben wir in dieser Saison noch nie gespielt“, berichtete Altintop.

Die unerwartete Grundordnung der Türken bereitete den auf einen anders spielenden Gegner vorbereiteten Schalkern enorme Probleme. „Wir haben mit einer anderen Aufstellung gerechnet und in der ersten Halbzeit keine Mittel gefunden, dagegen zu agieren“, sagte Höwedes. Das war ein Problem, aber eher nicht die Hauptursache der bitteren Niederlage. Denn Galatasaray spielte zwar besser als im Hinspiel, wirkte aber keineswegs resistent gegen einen Schalker Sturmlauf, der nach der Pause begann, aber nur etwa 20 Minuten lang die erforderliche Wucht entwickelte. Und selbst in diesem wesentlich besseren Spielabschnitt waren viele Schalker Aktionen durchsetzt von Abspielfehlern und Ungenauigkeiten, während die Türken prächtige Kontergelegenheiten hatten, von denen sie erst die letzte nutzten, als Umut Bulut zum 2:3 traf (90.+5).

Schalke ist also immer noch ein ziemlich fragiles Gebilde, auch wenn der Sieg im Derby gegen Borussia Dortmund zuletzt einen anderen Eindruck vermittelt hat. Dennoch sei auch an diesem Abend erneut zu sehen gewesen, dass „die Mannschaft funktioniert“, sagte Hildebrand, aber für ein Champions-League-Viertelfinale reicht es dann doch nicht nach den Wirren der vergangenen Wochen.