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Bürokratie in der Natur

EVALUIERUNG Die 14 deutschen Nationalparks werden von ihren Nachbarn eher akzeptiert als früher. Das zeigt eine neue Studie

„Wir sehen Konflikte zwischen Naturschutz und Artenschutz“

KARL FRIEDRICH SINNER

VON THERESA ZIMMERMANN

BERLIN taz | Die deutschen Nationalparks sind nicht so naturbelassen, wie sie sein sollten. Das geht aus der ersten Evaluierung hervor, die der Dachverband der Nationalen Naturlandschaften, Europarc, am Mittwoch in Berlin vorgestellt hat. „Der Naturschutz kollidiert häufig mit dem Schutz einzelner Arten“, sagt Landschaftsarchitekt Stefan Heiland, der als Sprecher des Expertenkomitees die Studie mit erstellt hat. Das Ziel, jeweils 75 Prozent der Parkfläche unter Prozessschutz zu stellen, erreichten erst 4 der 14 deutschen Parks: Nur in den Nationalparks Hainich in Thüringen, Hamburgisches Wattenmeer in Niedersachsen, Jasmund in Vorpommern und Kellerwald-Edersee in Hessen werde die Natur großflächig „sich selbst überlassen“, so Heiland.

Für den Bericht begleiteten Experten unter anderem des Bundesumweltministeriums, der Umweltministerien der Länder und verschiedener Naturschutzverbände die Nationalparks über drei Jahre. Sie überprüften, ob die Nationalparkverwaltungen den Naturschutz gewährleisten und ob sie intensiv mit den Anwohnern und umliegenden Gemeinden kommunizieren. „Die meisten Anwohner, Bauern oder Waldbesitzer lernen die Nationalparks in ihrem Umfeld zu schätzen“, berichtet Heiland.

Die Parks seien immer besser mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, zudem gebe es vielfältige Bildungsangebote für Besucher und zahlreiche Wanderwege. Durch eine gute Ausschilderung fühlten sich die Touristen betreut und könnten gleichzeitig so gelenkt werden, dass andere Gebiete besser geschützt werden können, heißt es in der Studie.

Diese ungenutzten und unbewirtschafteten Flächen sind für die Nationalparks besonders wichtig, um ihren eigentlichen Auftrag zu erfüllen: den Naturschutz. Bislang wird in vielen Parks noch zu stark in die natürlichen Prozesse eingegriffen. Diese müssen nun nachziehen und ihre sogenannten Kernzonen ausweiten. „Das ist nicht leicht“, sagt Projektleiter Karl Friedrich Sinner, „denn schnell kommt es zu Konflikten zwischen Naturschutz und Artenschutz“.

Ein Beispiel: Im Nationalpark Bayrischer Wald wachsen Bergfichtenwälder. Sie bestehen nicht nur aus Fichten, sondern auch aus Mooren und hohem Gras – und bieten so einen wichtigen Lebensraum für das seltene Auerhuhn. Als Nationalpark müssen sie vor Eingriffen geschützt werden. Zugleich gilt in ihnen aber auch das europäische Recht der Natura 2000 Gebiete, sie sollen also möglichst in ihrem Zustand erhalten werden. Beide Vorschriften widersprechen sich: Durch das Nichteingreifen konnte sich der Borkenkäfer ausbreiten, der den Fichtenbestand bedroht.

Der am Mittwoch vorgelegte Bericht empfiehlt den Landesregierungen, die Parks von bürokratischen Zwängen zu befreien. Wenn die Parkverwaltungen flexibler Entscheidungen treffen könnten, könnten sie ihre Aufgaben im Naturschutz noch besser bewältigen, glauben die Experten.

Mit dem Bericht wird der Vorgabe des „Arbeitsprogrammes Schutzgebiete“ der UN-Konvention über die biologische Vielfalt aus dem Jahr 2004 Rechnung getragen. Diese sieht Evaluierungen der Schutzgebietsflächen jedes Unterzeichnerstaates bis 2015 vor. Laut Sinner liegt es nun an Bund und Ländern, auch weiterhin Qualitätskontrollen in den Nationalparks durchzuführen: „Die Evaluierung darf keine Eintagsfliege bleiben.“

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