LESERINNENBRIEFE
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Holzschnittartige Denkweise

■ betr.: „Burn-out. Arbeiten ist gesund“, von Tom Bschor, taz vom 12. 3. 13

Als vor gut zehn Jahren die Diagnose „Burn-out“ bekannter und zulässiger wurde, erleichterte das die ärztliche Begleitung dieser Patienten in der Praxis. Endlich konnte über die innerpsychischen und die äußeren Wirkfaktoren dieser Erkrankung und ihr sehr komplexes und individuelles Zusammenwirken angemessen gearbeitet werden. Der Kollege Bschorr schneidet holzschnittartig einen Teil dieser komplexen Erkrankung heraus – den innerpsychischen Weg – und bagatellisiert damit die anderen Wirkkomponenten.

Der Stressreport aus dem Bundesarbeitsministerium stellt endlich Fakten zur sich verändernden Arbeitswelt fest. Natürlich wirkt sich diese veränderte Außenwelt innerpsychisch aus, wie denn sonst? Nur: Die ärztliche Aufgabe ist es dann doch, sich wissenschaftlich den verschiedenen Seiten dieses Prozesses zuzuwenden, also auch den gesellschaftlichen, und zwar mit der gleichen wissenschaftlichen Gründlichkeit, und dann im therapeutischen Prozess mit dem Patienten diese Zusammenhänge zu erarbeiten. Mich erinnert diese holzschnittartige und damit unwissenschaftlicher Denkweise des Kollegen Bschorr an eine andere bittere Tatsache. Die deutsche Psychiatrie hat jahrzehntelang in ihrer Arbeit eine weitere äußere Wirkkomponente von Krankheit – die psychischen Traumata durch den Zweiten Weltkrieg – weitgehend verdrängt. Diese Verdrängungen und Denkverbote sind Teile der neoliberalen Weltsicht und sollen die emanzipatorische Seite ärztlicher Arbeit verhindern.

PETER REIBISCH, Arzt

Krank dank Arbeitsplatz

■ betr.: „Burn-out. Arbeiten ist gesund“, von Tom Bschor, taz vom 12. 3. 13

Mir fallen reihenweise PatientInnen ein, deren Krankheitsgeschichten eindeutig die krank machende Wirkung belastender Faktoren am Arbeitsplatz belegen. Fatal werden die Ausführungen des Autors da, wo er Stressanfälligkeit individuell pathologisiert und dabei die realen arbeitsplatzbedingten Überforderungen bagatellisiert. Fatal ist auch die Unterteilung in „Alltagsbelastungen“ (gemeint ist wohl die Burn-out-Symptomatik mit ihren psychischen Folgeerkrankungen) und „schwere psychiatrische Erkrankungen“.

Zynisch erscheint die Anmaßung, entscheiden zu wollen, welche Gruppe von PatientInnen vorrangig Behandlungsbedarf hat. Die Diskussion ist darüber zu führen, dass und wie Arbeitgeber gesetzlich mehr in die Pflicht genommen werden, für die psychische Gesundheit ihrer MitarbeiterInnen Sorge zu tragen und eine wirkungsvolle Prävention zu leisten. GISELA BRÄUNINGER, Ärztin

Das muss man nur wollen

■ betr.: „Private Kassen abschaffen“, Kommentar von Ulrike Herrmann, taz vom 12. 3. 13

Dem Beitrag stimme ich zu. Denn die Logik der privaten Krankenkassen (PKV) wird auch dadurch paradox, dass man genau den Menschen, die die angeblichen Super-Top-Leistungen der PKV bräuchten, den Eintritt in die PKV mittels Gesundheitsprüfung verwehrt. Und einen PKV-Versicherten, der mangels Einkommen gern in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zurückmöchte, lässt man nicht in die GKV zurück.

Die GKV muss reformiert werden, die Beitragsbemessungsgrenze muss fallen, alle zahlen von allem ein, und die uneingeschränkten medizinisch-technischen Mittel können genauso gut in die GKV eingebracht werden. Das muss man nur wollen.

Bahr jeder Vernunft, von diesem „Gesundheitsminister“ ist das aber nicht zu erwarten. EBERHARD STOPP, Rochlitz