Zwischen den Rillen
Radikal im Bereich der intelligenten Popmusik

Alle haben sie ihre eigene Sprache und verzücken durch ihre weiblich sanfte Gebrochenheit

Fantas Schimuns Musik ist ungewöhnlich, unbeirrt und eigen. Kein Wunder, dass ihr Debüt auf dem Hamburger Label „ZickZack“ veröffentlich wird, welches bekannt für seinen eigenwilligen Sound ist. Labelchef und ehemaliger Sounds-Redakteur Alfred Hilsberg war wieder auf der Suche nach experimenteller Musik und Klanggefilden, die nicht spekulativ ausgerichtet sind und unbeirrt von Hypes und Trends ihren Weg gehen.

Dabei war der Weg von der Idee bis zur Produktion von Fantas Schimuns Debütalbum nicht unbedingt einfach. Schimun lebt in Wien und macht Musik seit sie denken kann, spielte in den 90er-Jahren in Underground-Bands wie Root Crops, Krempl of Love, Picasso oder Melisch ohne kommerziellen Erfolg und veröffentlich vereinzelt Songs auf „Klein Records“ oder zusammen mit der Berliner Band Doc Schoko auf „Louisville Records“.

Doch Schimun will mehr. Sie will ein Album veröffentlichen, steht aber mit ihrer Musik abseits jeglicher Trends oft alleine da. Zudem verfügte Wien in dieser Zeit nicht wie Berlin oder Hamburg über eine lebendige Musikszene oder ein Netzwerk, das die Künstler auffängt und weiterkommen lässt. So rief Schimun Alfred Hilsberg in Hamburg an und fragte ihn, ob die Musik gefällt. Sie gefiel. Prompt wurde ihr Song „Bis auf weiteres eine Demonstration“ Titellied des 2002 erschienenen gleichnamigen Labelsamplers. Damit reihte sie sich neben Künstlern wie Knarf Rellöm, Bierbeben, Jens Friebe, Fehlfarben oder Mutter in die Riege der Popintellektuellen ein. Ein Anfang war gemacht, das Album folgt nun dieses Jahr: „Variationen über die Freiheit eines Anderen“.

Das tägliche Spiel mit der Gitarre ließ Schimun über die Jahre reifen und führte zur Reduktion der Klangmöglichkeiten wie auch zu deren Abstraktion. Das Sanfte tritt in den Vordergrund, was bleibt, ist die Traurigkeit. Klang der Song auf dem Sampler mit druckvollem Schlagzeug, verzerrter Stimme und harten Gitarrenriffs noch sperrig und verfolgte primär den Punk, so könnte man ihr Debüt als experimentelles Folk-Album beschreiben.

In eine Schublade stecken lässt es sich aber dennoch nicht. Mit viel Gitarre und Gesang arbeitet Schimun zwar vorwiegend akustisch, einige Stücke sind aber auch durchdrungen von Snares und elektronischen Klangfetzen, hier und da erklingt eine verzerrte Stimme. Sanft und verletzlich, teilweise resigniert singt Schimun vom Ende der Liebe, von der Unmöglichkeit sich Selbst zu sein oder von gesellschaftlichen Zuständen, die nicht tragbar sind. Mit ihrer Selbstreflexion und Wortspielereien wie „Es ist nichts gewonnen und nichts verloren“ bewegt sie sich im Bereich der intelligenten Popmusik.

Dabei hat die Musik der Wienerin nichts an ihrer Radikalität eingebüßt. Ihre Musik ist unberechenbar und voller Harmoniesprünge. Momente der Schönheit treffen auf Zerstörung; auf eingängige Melodien folgen verzerrte Elektrofetzen. Schimun überrascht und überlistet den Hörer. Und das so konsequent und souverän, dass ein „großes Ganzes“ entsteht, wie Fantas Schimun selbst sagt. So wird die Platte in traditioneller ZickZack-Manier polarisieren. Die einen werden die brüchigen Soundcollagen als störend oder anstrengend empfinden und sich fragen: Was soll das? Andere wiederum werden es als erweiternd erfahren und damit als tragbar. Letztere werden das Album lieben und immer wieder darauf zurückgreifen, wenn die Brutalitäten der Gesellschaft versuchen, den Alltag zu zerfressen. Denn es ist gerade der eigenwillige Sound Schimuns, der das Album besonders macht und letztlich überzeugend. Zusätzlich gibt es sogar noch ein fiktionales Hörspiel auf einer zweiten LP namens „Der Himmel ist Blau – Ein Alptraum in Stereo“, welches mit seinen absurden Geschichten und viel Musik drumrum Aufmerksamkeit erzeugt.

So hat Hilsberg mit seinem unermüdlichen Entdeckungsstreben erneut geschafft, was heute nur wenige schaffen: Klanglandschaften aufzufahren, die in einer diskursarmen Poplandschaft vonnöten sind.

Damit kommt nach Eva Jantschitsch alias Gustav und der wunderbaren Soap & Skin eine weitere traurige Weiblichkeit aus Wien daher, deren Musik bei aller Schönheit immer den Schleier von Traurigkeit und Melancholie trägt. Alle haben sie ihre eigene Sprache und verzücken durch ihre weiblich sanfte Gebrochenheit. Ist das die neue Wiener Schule? SIMONE JUNG

■ Fantas Schimun: Doppel-LP „Variationen über die Freiheit eines Anderen“ & „Der Himmel ist Blau – Ein Alptraum in Stereo“ (ZickZack/Broken Silence)