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SteuerprüfungEin Torso fürs Finanzamt

Der Hamburger Künstler Hamid Ghandehary fertigte für die Steuerbehörde spezielle „Finanzamtskunst“ an – weil die Sachbearbeiterin seine Kunst nicht versteht.

Mit Kunstobjekt für die Steuerprüfung: der Hamburger Bildhauer Hamid Ghandehary. Bild: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Hamid Ghandehary steht in seinem Atelier und holt einen Torso hervor, der in einer Ecke hinter einer Staffelei hervorragt. Der 55-jährige Bildhauer, der aus dem Iran vor fast 20 Jahren nach Hamburg kam, stellt das Stück auf den Tisch in der Mitte des Raumes. Bis jetzt hat er in seinem Leben noch nie einen Torso gebaut. Doch als sich das Finanzamt bei ihm zur Betriebsprüfung anmeldete, um zu kontrollieren, ob es sich bei seinem Atelier auch wirklich einen Arbeitsraum handelt, bereitete er sich vor.

Er nennt das Objekt schlicht „Finanzamtskunst“. Der Künstler, der an der Hochschule für bildende Künste (HfbK) studierte, war sich sicher, dass er mit seinen eigentlichen bildhauerischen Arbeiten bei der Begutachtung seiner Sachbearbeiterin nur weiter in Schwierigkeiten geraten würde. Ghandehary wollte ihr bloß nicht irgendwas Abstraktes präsentieren, was sie womöglich nicht versteht. Als sie ihn besuchte, beäugte sie die Räume genau, fragte skeptisch, ob der Künstler auf dem Sofa eigentlich auch nächtigt. Er fürchtete, dass das Finanzamt ihn nun richtig auseinandernehmen wollte. Das Atelier immerhin akzeptierte es, doch so glimpflich kam er bei den anderen Posten nicht davon.

Baumpfähle, Zaunriegel, Dachpappe und Fliesenkleber, die Materialien mit denen Ghandehary arbeitet, erschließen sich für das Amt nicht. Nach der Steuerprüfung wurde kaum ein Posten, den er als Betriebsausgabe absetzen wollte, vom Amt akzeptiert. „Dabei ist Fliesenkleber doch eine Art Gips“, erklärt er. Der Briefwechsel, in dem sich der Künstler gegen das Finanzamt zu behaupten versuchte, füllt mittlerweile einen Ordner. Er holt ihn hervor, und zieht Abschriften und Bescheide heraus.

Warum er dieses ganze Zeug im Baumarkt und nicht im Künstlerbedarf einkauft, wollte die Sachbearbeiterin wissen. „Ein Künstlerbedarf ist doch eine Apotheke, da kann man nicht einkaufen“, sagt Ghandehary. Ein Pinsel koste da mehrere Euro, im Baumarkt nur ein paar Cent. Zunächst setzte er sich hin und schrieb Briefe an das Finanzamt, erklärte in aller Ausführlichkeit, dass es mit der Kunst heute nicht mehr so ist, wie vor einhundert Jahren. Heute werde eben nicht nur gepinselt und gemalt.

„Was würden die wohl sagen, wenn ich wie bei der Biennale 2005 in Venedig mit Tampons arbeiten würde“, sagt Ghandehary. Da hatte die Künstlerin Joana Vasconcelos aus 25.000 Wattestöpseln einen Kronleuchter gemacht. Inzwischen ist er der vielen Erklärungen müde geworden. Er versteht nicht, warum das Finanzamt nicht einfach jemanden schickt, der etwas mehr von Kunst versteht.

Irgendwann drehte er den Spieß um und fragte zurück. Ob die Frau vom Finanzamt eigentlich je eine Ausstellung besucht hätte. Aber sie kannte nicht einmal die Deichtorhallen, sagt Ghandehary. Dass diese Frau noch nie in ihrem Leben in einer Ausstellung war, entsetzt den Künstler und ihm wurde klar: „Nun hab ich ein großes Problem.“

Das Finanzamt bezweifelt, dass es sich bei seiner Arbeit um eine künstlerisch-kreative Tätigkeit handelt und fordert nun 19 statt der von ihm in Rechnung gestellten sieben Prozent Umsatzsteuer. Doch im Nachhinein bekommt Ghandehary das Geld von seinen Auftraggebern nicht zurück. Er muss die Differenz selbst bezahlen. Mehr als 21.000 Euro will das Finanzamt nun von ihm haben. Dabei verdient er nur etwa 11.000 Euro netto im Jahr.

Ghandehary hat sich einen Anwalt genommen und Einspruch eingelegt. Das Finanzamt forderte von ihm, seine Arbeit genau zu beschreiben. Er arbeitet für das Kunsthaus, die Kulturbehörde, macht kleinere Ausstellungen hier und da.

Das Kunsthaus bestätigte dem Finanzamt auch, dass es sich dabei um eigenständige künstlerische Arbeiten handelt. Für jede Ausstellung schaffe er eigene Werke, als Bindeglieder zwischen den Ausstellungsstücken, um die Arbeiten der anderen Künstler in Beziehung zueinander zu setzen. Er fertigt dafür aber auch selbst Arbeiten aus Styropor und gießt kleine Teile aus Beton. Das Finanzamt will das aber nicht einfach als Kunst gelten lassen.

„Dabei sind Ausstellungen für sich genommen doch urheberrechtlich geschützte Arbeiten“, sagt Ghandehary. Das gelte für die Documenta wie für jede andere Ausstellung. In der Präsentation der künstlerischen Arbeiten stecke jede Menge Arbeit. Für jede Ausstellung müsse der Raum neu gestaltet werden. Jedes Mal macht er sich erst mal kleine Modelle, um so eine Vorstellung zu bekommen, wie die Ausstellungsstücke darin am besten zur Geltung kommen.

Die Rechtsprechung und die herrschende Lehrmeinung gehen davon aus, dass der urheberrechtliche Schutz einer Ausstellung als Sammelwerk gemäß Paragraf 4, Urhebergesetz, in Betracht kommt, erklärt sein Anwalt vergeblich dem Amt.

Ghandehary reist oft in den Iran und arbeitet dort in den Bergen mit seltenen Steinarten und Marmor. Für das Finanzamt Familienbesuche. Es will die Reisen nicht als Betriebsausgaben gelten lassen. Obwohl er alle möglichen Belege und Erklärungen lieferte, akzeptierte das Amt schließlich fast nichts.

Zu seiner eigentlichen Arbeit kommt Ghandehary kaum noch. Er fühlt sich wie benebelt, sagt er. Doch aufgeben will er nicht. Wenn das Finanzamt nicht einlenkt, kann er sich vorstellen bis zum Bundesverwaltungsgericht nach Karlsruhe zu ziehen, um für sein Recht zu streiten. Nun will er erst mal demonstrieren. Vor dem Finanzamt in Altona.

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8 Kommentare

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  • J
    Jochen

    Schade das es bei den Behörden immer noch solch rassistische Ausfälle gibt. Wann findet die Demo statt? Ich und meine Bekannten sind dabei!!!!!!!!!!!!!!!!

  • HN
    Hannsheinz Noffke

    Eine unendliche Geschichte: Kreativer trifft Bürokrat. Oder andersrum. Das ist überall und immer auf unserm Planeten Wert, beschrieben zu werden.

     

    Allerdings wird Hamid nie zum "Bundesverwaltungsgericht in Karlsruhe" kommen. Das gibt es nämlich nicht. Das Bundesverwaltungsgericht ist in Leipzig und wird sich mit der Sache nie befassen. Bevor das Bundesverfassungsgericht, das in Karlsruhe seinen Sitz hat, aktiv werden muss, könnte der Hamburger Finanzsenator der Posse ein Ende machen. Es wäre allen Beteiligten zu wünschen. Vielleicht könnten zusatzlich dann die Hamburger Museen die Burokratenabteilung der Finanzverwaltung mal zwecks Fortbildung einladen. Es soll ja etwas für die Allgemeinheit dabei herauskommen!

  • M
    Michael

    Es drängt sich der Verdacht auf, dass das Finanzamt einen rassistischen Hintergedanken dabei hegt! Wie können sie ernsthaft von jemanden mit so wenig Gehalt eine derart hohe Nachzahlung fordern? Und das mit der haltlosen Begründung, dass die Umsatzsteuersatz falsch berechnet war, dabei scheint die Lage doch eindeutig zu sein: laut §4 des Urhebergesetzes können 7% UST berechnet werden! Ich wünsche mir, dass der Betroffene hier vor dem Finanzamt Altona demonstriert. Da ich selbst Künstler bin, werde ich das unterstützen! Ich bin sicher, die Kunstszene Hamburg wird dabei sein!

  • H
    Heike

    Das Finanzamt ist eine Behörde mit dem Auftrag, möglichst viel Geld hereinzuholen. Sie hält eindeutig alle polizeilichen, staatsanwaltschaftlichen und richterlichen Befugnisse des ersten und zweiten Rechtszuges in der Hand und tritt dem Staatsbürger, in diesem Fall dem Künstler Hr. Ghandehary, entgegen, der durch eine Nachversteuerung unmittelbar von der Vernichtung seiner Existenz bedroht ist. Hr.Ghandehary muss jedes gewünschte Schriftstück vorlegen, im wahrsten Sinnes des Worte sich muss er sich vor dem Finanzamt regelrecht AUSZIEHEN! Mit der Aussicht auf weitere Nachprüfungen (Schikanen) bis hin zu Hausdurchsuchungen oder gar Inhaftierung wird der betroffene Staatsbürger sehr oft extrem eingeschüchtert.

    Gleichzeitig wächst bei den Beamten und Angestellten des Finanzamtes öfters allzu leicht proportional zu dieser Einschüchterung ein Selbstbewußtsein, das nicht immer der Sachkenntnis, wie in dem Fall von Hr. Ghandehary, sehr oft aber in der übermäßigen Machtposition des von ihnen vertretenen Amtes seine Wurzeln hat. Hr. Ghandehary hat sich jedoch nicht einschüchtern lassen und hat den Schritt an die Öffentlichkeit gewagt, ich möchte ihn meinen vollsten Respekt aussprechen! Ich würde mir eine Demonstration von nackten Künstler/ innen vor dem Finanzamt wünschen, an der ich auch Teilnehmen würde!

  • M
    Moneypenny

    @ Malte, einfach mal die Geschichten aus der hessischen Steuerverwaltung recherchieren und dann kommt die "Ahnung" fast von selbst. Warum wohl durften eifrige Steuermittler in den vorzeitigen Ruhestand wegen paranoider Persönlichkeitsstörungen versetzt werden?

  • M
    Malte

    @ Moneypenny

    Wenn man keine Ahnung hat .....

     

    "Die Finanzbehörde" zieht so schnell schon mal nicht den "Schwanz" ein, um sich dann eine "Dönerbude" vorzuknöpfen. Selten so einen Schwachsinn gelesen. Großbetriebe werden anschlußgeprüft, Kleinstbetriebe ca. alle 100 Jahre.

    Außerdem: kein Finanzminister hat Einfluss auf die Steuererklärung irgendeines Bekannten aus irgendwelchen Kreisen. Einfach nur keine Ahnung, oder?

  • B
    Beamtistan

    Beamte sind aus einer anderen Welt, vor allem setzen sie willkürlich Stolpersteine.

    Die ganzen Inhalte erinnern an Demnigs "Stolpersteine" wo es auch um den Mehrwertsteuersatz ging.

    Die mattierte Leuchte und Partyminister Gabriel verkündete, das die Glühbirne aufgrund ihrer Wärme- nicht Lichtentwicklung verboten wird.

    Nun wurde Heatball, eine kleine elektrische Heizung neu erfunden. heatball.de

    Der Beamtenwillkür ist mal wieder Tür und Tor geöffnet und kann teils nur durch ihr eigenes System erledigt werden. Nennt sich dann konkurrierende Gesetzgebung, langer Atem wäre ratsam.

    Dabei steht die Frage im Raum ob Selbstständige Kosten einer Reparatur zum Erhalt ihrer Selbstständigkeit aus privater Tasche zahlen müssen.

    Würth, als Produzent kann/konnte ein großes Schiff nebst Personalkosten und Unterhalt von der Steuer absetzen.

    Das Bildungsreisen für Beamte anerkannt, für Selbstständige nicht, ist mal wieder typisch.

     

    Die Begriffe Diskriminierung und Rassismus müssen auf monetärer Ebene wie Steuer, Bank betrachtet werden.

  • M
    Moneypenny

    Wie gut geht es da den Steuerhinterziehern. Die kennen solche Lapalien nicht. Falls eine angekündigte Betriebsprüfung ansteht, warten da schon die Steuerberater und Anwälte. Da zieht die Finanzbehörde den Schwanz ein und knöpft sich den nächsten Döner-Imbiss vor. Wenn man in den richtigen Kreisen bekannt ist, lässt der zuständige Finanzminister schon mal die Steuererklärung durchwinken. Wer will sich schon mit der Lobby anlegen, deren Interessenvertreter man ist.