Karl-Heinz Hansen über Pioniertaten: „Das sprudelt“

Karl-Heinz Hansen verkauft seit bald 30 Jahren mit seinem Windrad Strom an Energieversorger. Damals war er Pionier, heute ist er an fünf Windparks beteiligt

"Kuddel Wind" und sein Windrad auf dem Hof in Cecilienkoog. Bild: Miguel Ferraz

taz: Herr Hansen, bekommen Sie schlechte Laune bei wenig Wind?

Karl-Heinz Hansen: Wenn man so viele Jahre Windmühlen gehabt hat, dann weiß man: Im Jahresdurchschnitt wird das schon passen. Am Anfang war man erschrocken, wenn es keinen Wind gab. Wir haben eine Lampe, die anzeigt, ob wir gerade unseren Windstrom verbrauchen oder zukaufen.

Und was zeigt sie jetzt an?

Das weiß ich nicht, wir gucken gar nicht mehr hin. Damals, am Anfang, haben wir das aber schon gemacht. Wir haben uns überlegt: Machen wir die Waschmaschine jetzt an oder lieber am nächsten Tag? Vielleicht ist dann ja mehr Wind.

Damals, das war vor 30 Jahren, 1983. Da haben Sie als Erster eine Windmühle aufgestellt, die auch Strom ins Netz speist. Wie kamen Sie denn darauf?

Die Mutter meiner Frau Cornelia war gegen Atomstrom und ganz wild nach alternativer Energie. Irgendwann sagte sie: Ich möchte gerne einen Beitrag dazugeben, wenn ihr etwas in die alternative Richtung macht. Sie wollte, dass ich ein Windrad auf dem Dach des Wirtschaftsgebäudes baue, das 100 Jahre alt ist. Dazu kam, dass ich mich fragte, wie ich unser großes Haus warm kriege. Dann dachte ich: Das musst du mit Wind machen. Ich wusste bloß nicht wie. Und da waren wir mal in Dänemark und da liefen ja schon einige Windräder. Hier waren ja gar keine Mühlen. Nirgendwo. Schließlich haben wir die Anlage 1982 in Dänemark bei Vestas gekauft, für 95.000 Mark.

66, ist Landwirt und hat einen Hof im nordfriesischen Cecilienkoog in der Nähe von Bredstedt, den inzwischen zwei seiner Söhne bewirtschaften. Er ist auf dem Hof aufgewachsen, hat vier Kinder und acht Enkel.

Auf dem Hof züchten die Hansens Schweine und bauen Getreide, Raps und Zuckerrüben an.

Im Oktober 1983 stellte Hansen auf seinem Hof das erste Windrad auf, eine Vestas V15. Ein Jahr, nachdem er das Gerät gekauft hatte - das Genehmigungsverfahren war langwierig und teuer. Doch bald gab es sogar Fördermittel und die V15 ist eine viel besichtigte Pionier-Anlage geworden.

Das Windrad läuft noch immer, weder Generatoren noch Windräder mussten ausgetauscht werden. Inzwischen stehen in der Gemeinde 80 Windräder.

Wie war das?

Das war alles so aufregend. Wir standen bei Vestas in der Fabrik und wussten nichts. Es gab ja fast keine Erfahrung mit Windmühlen, da musste man einfach sagen: Ich versuche das jetzt. Letztlich habe ich auf mein Bauchgefühl gehört und etwas riskiert. Das war so ähnlich wie beim Kennenlernen meiner Frau.

Das müssen Sie erklären.

Sie ist Schweizerin und kommt aus ganz anderen Verhältnissen. Ihr Vater war Kunstprofessor, in ihrer Familie gibt es auch Maler und Geigenbauer. Ich bin der Sohn eines Landwirts. Wir haben uns hier nicht gar nicht lange gesehen, zwei Mal vielleicht und ich war gleich verliebt. Aber sie war wieder weg. Dann fuhr ich mit dem Zug in die Schweiz und wollte sie wiedersehen, aber wusste gar nicht genau, ob sie das auch will und am Bahnhof steht, wenn ich ankomme. Ich war vielleicht aufgeregt! Aber sie stand da. Das Risiko hat sich gelohnt.

Der Windmühlen-Kauf auch?

Ja, ich fahre eigentlich ganz gut damit. Wenn das alles in Gang ist, kommt automatisch das Geld aufs Konto. Auch von der kleinen Anlage. Letzten Monat wieder, 400 Euro. Ich muss mich wundern, dass ich immer noch Strom verkaufe, obwohl ich ja viel Strom selbst verbrauche. Für die Heizung im Haus, den normalen Stromverbrauch und die Anlagen im Hof. Wenn der Strom jetzt so teuer ist, dann ist das schon was Gutes, wenn man seinen eigenen Strom macht. Das finde ich immer noch besser als bloß zu verkaufen.

Was haben die Nachbarn gesagt, als Sie die Anlage aufgestellt haben?

Mein Vater hätte mich fast enterbt, das war ja alles sowas Neues – völlig ungeheuerlich. Ich hatte den Hof von meinen Eltern gepachtet. Auch meine Nachbarn haben skeptisch geguckt. Sechs, sieben Jahre später hatte ich die Idee, eine zweite Anlage zu bauen. Da habe ich meinen Nachbarn gefragt, ob er mit mir zusammen bauen will. Der hat Nein gesagt, das war ihm zu teuer, viel zu gefährlich. Das war die Zeit, als es noch keinen hohen garantierten Verkaufspreis für Windstrom gab. Das Gesetz kam dazu kam erst 1991.

Und ab wann nannten die Leute Sie „Kuddel Wind“?

Kuddel hieß ich schon in der Schule. Wind kam dann irgendwann dazu. Das passiert einfach, wenn man sich schon so früh mit Windenergie beschäftigt und dafür wirbt. Wir haben später Windparks gebaut von der Gemeinde her, aber wir hatten nicht genug Leute. Ich habe wieder zu einem meiner Nachbarn gesagt: Bau das Ding mit, das ist doch was Schönes, der liebe Gott macht dich reich. So einen Blödsinn habe ich gesagt. Ich wusste ja auch nicht, ob das gut geht. Das waren damals die größten Anlagen, das war teuer. Um die Anlage zu finanzieren, habe ich damals 8,5 Prozent Zinsen bezahlt. Aber am Ende ging es gut. Inzwischen haben mehr Leute verstanden, was für ein gutes Geschäft Windkraft sein kann.

Hier in der Nachbarschaft stehen sehr viele Windräder. Haben Sie mit allen etwas zu tun?

Es gibt sechs Windparks, an fünf sind wir beteiligt und das wird auch vergütet. Jeden Augenblick gibt es Windpark-Versammlungen. Mittlerweile machen fast alle mit. Das sprudelt.

Ginge es auch ohne Landwirtschaft?

Nein. Allein damit man das normale Leben behält. Wir sind immer noch Bauern, und jedes Mal, wenn Ernte ist und wenn Bestellung ist, sind wir voll dabei. Wir freuen uns, wenn es glückt, wenn wir guten Erfolg haben, wenn die Ferkel gesund bleiben. Dass das so läuft, wie man sich das wünscht. Schlechtes Wetter in der Erntezeit ärgert uns.

Aber vom Geld her wäre das nicht notwendig, den Hof zu betreiben?

Das ist immer so eine Gefahr, dass man, wenn man viel Geld hat, nicht normal bleibt. Aber was ist viel Geld eigentlich?

Kommt ganz drauf an.

Das Schöne ist, wir haben Familie, vier Kinder. Da kann man das gut verteilen. Unsere Kinder haben alle schon ein Haus, da hat man vielleicht hier und da ein bisschen mitgeholfen. Ich will mich aber jetzt nicht als großer Weihnachtsmann rühmen – die haben das schon vor allem selbst gekauft. Aber man ist froh, dass man weiß: Die kriegen das alles mal. Den Hof habe ich immer erweitert und vergrößert. Das wird hoffentlich so weitergehen. Jetzt will ich mir ein Abschiedshaus bauen, mein zweiter Junge will hier wohnen. Das kostet dann auch wieder ein paar Hunderttausend. Das muss man ja auch haben und freut sich, wenn man es hat. Ich möchte noch gar nicht weg, aber meine Frau Cornelia sagt, wir müssen.

Die Landschaft hat sich durch die Windräder sehr verändert. Stört Sie das?

Das wird schon zu viel. Wenn ich auf der Hamburger Hallig bin und dann hier herübergucke und nur Windmühlen sehe – das ist schon eine wahnsinnige Veränderung.

Es gibt immer wieder Proteste gegen neue Windpark-Projekte – auch hier an der Küste. Können Sie das verstehen?

Ich glaube, das ist vor allem Neid. Wenn einer Glück hat und einen Standort für ein Windrad hat und der andere nicht, dann ist der andere dagegen, weil er weniger verdient. Dann sind Windanlagen plötzlich ganz laut …

… und werfen furchtbare Schatten.

Na, da müssen wir ganz ehrlich sein: Wenn die Sonne tief scheint und wir Schattenschlag im Haus haben, dann ist das nervig. Das Blöde ist: In die Baugenehmigungen wird immer reingeschrieben, dass die Mühle abgeschaltet werden muss, wenn der Schatten ein Haus in der Nähe trifft. Aber das wird nicht gemacht. Hauptsache die Mühle kommt hoch. Die Sachen, die beachtet werden müssen, die werden dann einfach vergessen.

Wieso?

Windmühlenbauer sind sehr ruppig geworden. Die bauen einfach los.

Wie wirkt sich das aus?

Das Miteinander- und Füreinanderleben in der Gemeinde wird schwieriger, gerade in dieser Region, leider. Es gibt viel Neid. Obwohl viele Leute Geld verdienen, ist das Zusammenleben nicht so einfach geworden. Als wir hier Anfang der 90er-Jahre einen der ersten Windparks eingeweiht haben, hat der Landrat schon befürchtet, dass die Windkraft große Uneinigkeit in die Gemeinden bringen wird. Das hat damals noch keiner gesehen. Aber das stimmte, müssen wir heute sagen.

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