berliner szenen Heilig’s Märktle 1

Gehäkeltes Grauen

Zweiter Advent. Draußen nieselt es hässlich, und schon frage ich mich, welcher Sonntagsteufel mich aus dem trauten Heim über die Oberbaumbrücke getrieben hat. Vor dem Universal-Gebäude erinnern mich zwei dezent beleuchtete Tannen an mein Vorhaben. Nie wieder wollte ich beim Geschenkesuchen Zeit auf Weihnachtsmärkten verschwenden und mich über Filzstulpen, Duftlampen oder Mittelalterbuden ärgern. Der crème-goldene Fabriketagen-Chic des „Designadvent“ lässt mich aufatmen.

Gleich am Eingang entdecke ich eine Bekannte, die Totenkopf-Nierenwärmer verkauft. Handarbeit sei wieder in, sagt sie. Und, fügt sie düster hinzu, man müsse damit verdammt aufpassen. Ich blicke mich um. Tatsächlich wimmelt es von Häkel- und Strickwaren: hauchzarte Totenkopf-Deckchen, rot-weiße Fußballschals mit der Aufschrift „Ich will Liebe“, Mohair-Hüte mit glitzernden Blütenapplikationen. Leicht beunruhigt schreite ich die Stände ab, entdecke zwischen Siebdrucken und Military-Taschen Handtuchstickerei nach Kundenwunsch und strickende Frauen.

Vor einem Stand mit klorollenüberzugsähnlichen Gebilden bleibe ich stehen. Die quadratisch gespannten Häkeloberflächen weisen schlitzförmige oder runde Öffnungen auf, manche stülpen sich in rüsselförmigen Auswüchsen nach außen. Verstört befingere ich ein unanständig rosafarbenes Objekt mit Knubbel, die Künstlerin lächelt. „Häkelbilder für die Wand“, erklärt sie freundlich. Ich flüchte zurück zum Stand meiner Bekannten. „Ich habe sie gefragt, wie viel ihre Kleenex-Schachtel-Überzüge kosten“, sagt sie kleinlaut. „Man muss verdammt aufpassen“, bestätige ich und kaufe ein paar kleine Anstecker aus Metall. NINA APIN