„Das ist kein Etikettenschwindel“

UNIVERSITÄTEN Der mächtigste Hochschulverbund will den Titel „Diplom-Ingenieur“ weiter verleihen dürfen, fordert der Präsident der neun größten Technischen Universitäten

■ Schmachtenberg, 57, ist Rektor der RWTH Aachen und seit Jahresbeginn Präsident der TU9, des Zusammenschlusses der neun führenden Technischen Universitäten.

INTERVIEW MARTIN KAUL

taz: Herr Schmachtenberg, Sie wollen an den neun größten Technischen Universitäten das Diplom wieder einführen. Haben Sie die hochschulpolitischen Reformen der letzten Jahre verschlafen?

Ernst Schmachtenberg: Das haben Sie falsch verstanden. Wir wollen nicht das Diplom wieder einführen, sondern den akademischen Grad des Diplom-Ingenieurs.

Was soll denn da bitte der Unterschied sein?

Ganz einfach: Wir haben an unseren Unis ja schon komplett auf Bachelor und Master umgestellt. Und wir sagen nicht, dass wir unsere alten Diplom-Studiengänge zurückhaben wollen. Aber wir sagen: Man muss auch künftig in Deutschland zum Diplom-Ingenieur ausgebildet werden können. Der Abschluss ist ein deutsches Qualitätsprodukt. Es ist nicht einzusehen, warum wir die Symbolik und Strahlkraft dieser Marke verschenken sollten.

Im Klartext: Sie finden, der Master taugt nichts.

Das sage ich nicht. Wir haben die Umstellung auf das zweistufige Studienmodell an unseren Universitäten engagiert vollzogen und gute Studiengänge entwickelt. Jetzt sage ich: Wer nun im Bachelor und Master über fünf Jahre bei uns Ingenieurwissenschaften studiert, den können wir mit Fug und Recht Diplom-Ingenieur nennen.

Sie wollen also eine Marke erhalten, die es gar nicht mehr gibt. Das nennt man Etikettenschwindel.

Nein, nein. Unser Ingenieurstudium wäre nur neu organisiert. Es wäre ein fünfjähriges Studium, das man allerdings nach drei Jahren bereits mit einem Bachelor beenden könnte. Wem soll das schaden?

Ihr Vorstoß ist deshalb relevant, weil er an den Kern der Bologna-Reform rührt: Wenn Sie eine Extrawurst bekommen, werden sich auch viele andere Universitäten gegen die teils heftig kritisierten neuen Studiengänge Bachelor und Master stellen. Sie torpedieren die Bologna-Reform, ohne es zu sagen.

Sehen Sie es doch mal so: In ganz Europa wird Brot gebacken. Auch wir halten die Hygienebestimmungen ein. Aber wir wollen unser Schwarzbrot weiter Schwarzbrot nennen – und nicht Baguette. Das nenne ich gesunde Markenvielfalt.

Europa bestimmt an den Unis aber nicht die Hygienevorschriften, sondern die Backmischung. Wenn Sie Ihr Baguette Schwarzbrot nennen, wird trotzdem kein Schwarzbrot daraus.

Wir stellen uns den Qualitätsmaßstäben, die mit Bologna verankert sind. Aber die kulturelle Vielfalt – hier gibt’s Schwarzbrot, dort Baguettes –, die wollen wir nicht aufgeben.

Zum Rechtlichen: Können Sie Ihren Master überhaupt einfach umbenennen?

Das prüfen wir derzeit.

Und wenn Ihnen das nicht gelingt?

Dann werden wir uns politisch dafür einsetzen, dass wir, die neun führenden Technischen Unis in Deutschland, diesen Abschluss als einen Wettbewerbsvorteil des Wissenschaftsstandortes Deutschland wieder einführen dürfen.