Kampfhund entdeckt Einbrecher

EISSCHNELLLAUF Claudia Pechstein und ihr Freund Matthias Große genießen die Lust der Provokation. Der Verband lässt das Duo trotz wachsenden Unmuts in der Schlittschuh-Szene gewähren

„Die Jeanne d’Arc des deutschen Sports wird alle überraschen“

MATTHIAS GROSSE ÜBER SEINE FREUNDIN CLAUDIA PECHSTEIN

VON MARKUS VÖLKER

Man darf nicht schreckhaft sein, wenn man auf Matthias Große trifft. Er ist der Freund von Claudia Pechstein und schirmt die Eisschnellläuferin im Stile eines Personenschützers gegen das Unheil der Welt ab. Große, der das Haupthaar sehr kurz trägt, hat viel erlebt. Er hat Disziplin und Ordnung an der Militärhochschule Minsk gelernt. Nach der Wende fiel er kurz mal in ein Loch. Es heißt, er habe sich als Klomann in einem Hotel durchgeschlagen. Doch die große Zeit sollte noch kommen für Große.

Heute befindet sich in seinem Besitz: ein Currywurststand „Zur Currywurst“, die Immobiliengesellschaft UGMG, der Berliner Müggelturm und die erfolgreichste Winterolympionikin der deutschen Sportgeschichte. Letztere hat er 2010 kennengelernt, als die gerade viel Trouble wegen einer Dopinggeschichte hatte. Große gab der ohnehin schon sehr offensiven Verteidigungsstrategie von Pechstein eine entschieden sportive Note: Er schüchterte die SPD-Sportpolitiker Gerster und Freitag am Telefon ein. In der taz-Sportredaktion ging nach einem Pechstein-kritischen Artikel ein anonymer Anruf ein: „Ihnen einen schönen Tag – dafür werden wir schon sorgen!“

Die Süddeutsche Zeitung ist der Meinung, die Stimme von Große höre sich im Stadium der Erregtheit an, „als hätte ein Kampfhund einen Einbrecher entdeckt“. Große, der nicht alles selbst erledigen kann und deswegen im Jahre 2011 zwei Hells-Angels-Mitglieder, Christian M. und Danilo B., zur Bewachung des Pechstein-Anwesens am Scharmützelsee abstellte, macht aber nicht nur Wuffwuff, in Gegenwart seiner „Pechi“ (Berliner Kurier) benimmt er sich wie ein Gentleman. „Ich bin froh, dass ich einen Mann an meiner Seite habe, der mich beschützt und kein Blatt vor den Mund nimmt. Er kämpft wie ein Löwe für mich“, sagte Pechstein im Interview mit einer Frauenzeitschrift. „Er hat mir die Augen geöffnet. Ich fühlte mich als Frau gewürdigt.“

Da Große auch bei Sportereignissen dank einer Akkreditierung des Verbands DESG nicht von der Seite der 41-Jährigen weicht, ist Unmut in der Szene der Schlittschuhläufer aufgekommen. Kleinbürgerschreck Große und Streithansel Pechstein wirken nicht nur deplatziert, sie sind es mittlerweile auch. Weil Pechstein zuletzt ihre Erfurter Teamkollegin Stephanie Beckert mit scharfen Worten angegriffen hat („vorsätzliche Arbeitsverweigerung“), gibt es nun die Ersten, die sich trauen, den Mund aufzumachen. Sie beschweren sich über das Treiben von Schlittschuh-Bonnie und Müggelturm-Clyde. „Die DESG darf Pechsteins Freund nicht mehr bei Wettkämpfen akkreditieren. Bei Wettkämpfen hält er sich im Innenraum auf und stört dort die anderen Sportler. Einige fühlen sich sogar eingeschüchtert. Es entsteht der Eindruck, als ob ihr Management die Mannschaft aufstellt“, sagt Marian Thomas, Geschäftsführer des EHC Erfurt und Ehemann der zweimaligen Team-Olympiasiegerin Daniela Anschütz-Thoms.

Nach Einschätzung von Thoms sorge das Pechstein-Lager bewusst für Spannungen. „Was Claudia und ihr Management betreiben, schadet dem deutschen Eisschnelllauf.“ Da passiere zu viel Negatives. Auch beim Weltcup in Erfurt habe Pechsteins Umfeld für Ärger gesorgt. Die DESG unter Präsident Gerd Heinze müsse endlich handeln: „Es kann nicht so weitergehen“, fordert Thoms.

Zu befürchten haben Pechstein und Große nichts. Die DESG ist ein Meister des Lavierens. Klare Worte wird man von Funktionären der DESG nicht hören. Es passt ins Schema, dass der Verband die Lösung des Konflikts zwischen Pechstein und Beckert aufgeschoben hat. Erst nach der Einzelstrecken-WM in Sotschi, die am kommenden Donnerstag beginnt, soll über Sanktionen beraten werden. Darauf wollte Beckert aber nicht warten. Sie sagte den Start im Teamwettbewerb, bei dem sie mit Pechstein hätte laufen müssen, ab. Begründung: „Es ist ihr mental nicht zuzumuten. Sie wird sich in diesem Spiel nicht zerreiben lassen“, wie Beckerts Berater Jochen Habermaier wissen ließ. Ob Stephanie Beckert jetzt auch Anrufe erhält?