LESERINNENBRIEFE
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Kraftvoll geratenes Comeback

■ betr.: „Kein vorzeitiger Samenerguss“ von K. Walter, taz v. 6. 3. 13

Ich frage mich, wie ein Album aus Sicht des Autors nach 2013 klingen sollte. Und mit welchen innovativen Musikern hätte Bowie heute eigentlich zusammenarbeiten sollen? 2013 – das sind doch junge Bands wie Tame Impala oder Foxygene oder diese ganzen Retro-Soul-Alben à la Luca Sapio. Das hört sich zurzeit alles an wie in den tiefsten 60ern oder 70ern gemacht, und das mit noch nie da gewesener unverfrorener Kopierfreudigkeit. Ist es deshalb nicht konsequent und absolut zeitgemäß, wenn Bowies neues Album klingt wie aus seiner Berlin-Phase (tut es ja nur teilweise)? Bowie ist Rockmusiker, der auch mit Soul und Elektronik experimentiert hat, aber er hatte nie wirklich etwas mit Clubmusik im heutigen Sinne am Hut (vielleicht mit Ausnahme von ein paar House-Remixen in den späten 80ern). Was sollte er also da mit Dubstep anfangen? Ich frage mich nur, wieso Tony Visconti vieles auf dem neuen Album so glatt gebügelt hat, warum Exzessives immer nur angedeutet oder die schrillen Gitarrensoli so früh ausgeblendet werden. Hier wurde ganz eindeutig auf Chartfähigkeit gesetzt, wahrscheinlich um noch einmal richtig Kasse zu machen. Dieses penetrant Kalkulierte ist der eigentliche Wermutstropfen an dem sonst ziemlich kraftvoll geratenen Comeback. HARTMUT GRAF, Hamburg

Ein Ritual zum Gähnen

■ betr.: „Konklave: Die bizarrste Wahl der Welt“, taz vom 12. 3. 13

Nun macht ihr auch den Mummenschanz in Rom mit. Ihr wisst, dass die Kirche nicht zu retten ist. Die Opa-Show aus Rom ist ein Ritual zum Gähnen. Also was soll’s?

KARL HEINZ KAMMERTÖNS, Dortmund

Mehr Zurückhaltung erwünscht

■ betr.: Chávez-Karikatur, taz vom 11. 3. 13

Ich bin empört über die Chávez-Karikatur. Man kann an Chávez’ Politik einiges kritisieren, aber nicht deren Grundausrichtung, die eindeutig für den armen und ärmsten Teil der Bevölkerung deutliche Verbesserungen gebracht hat, und deshalb hätte ich mir mehr Zurückhaltung in diesem Fall gewünscht. Denn dieser Teil der Bevölkerung hat in den wenigstens Staaten der Welt eine Stimme, auch nicht in Deutschland, wie die Politik der letzten 15 Jahre zeigt, die nur die Profitmaximierung der Konzerne und Vermögensvermehrung der oberen 10 Prozent der Bevölkerung im Blick hat.

GERDA FELLMANN-PALLOR, Mannheim

Im Sinne des Verbrauchers

■ betr.: „Der größte Lebensmittelskandal ist dein Einkauf!“, taz vom 13. 3. 13

Falsch! Ich halte es für völlig falsch, so zu argumentieren und den Verbraucher mit verantwortlich zu machen für die Lebensmittelskandale. Ich sehe Politik und Verwaltung immer noch in der Vorsorge- und Fürsorgepflicht. Es ist die Pflicht von Politik und Verwaltung, uns vor solchen Zuständen im Lebensmittelwesen zu bewahren, und nicht Pflicht des Verbrauchers, die allgegenwärtigen Täuschungen zu erkennen. Wenn wir so argumentieren, dann singen wir das Lied der Lebensmittelindustrie. Im Sinne des Verbrauchers sind kleinere Strukturen, Beschränkungen in der industriellen Tierhaltung, Beschränkungen in der industriellen Tierschlachtung, Beschränkungen, die endlosen Transportketten betreffend. Alles in Verbindung mit besserem Tierschutz und mit effektiver Kontrolle. Das würde die Regionen stärken. Das würde wieder Arbeitsplätze schaffen. Und das würde Kosten verursachen, die sich selbstverständlich im Lebensmittelpreis niederschlagen. ULRICH VARWIG, Duisburg

Ausbeutung legalisiert

■ betr.: „Keine Nachzahlung für LeiharbeiterInnen“, taz v. 14. 3. 13

Da lässt sich jemand, weil sie froh ist, überhaupt wieder Arbeit zu bekommen, auf einen Hungerlohn ein, dessen Basis ein Tarifvertrag ist, der für nichtig erklärt wurde, und dann kriegt sie das zu wenige Geld nicht, weil sie ja nicht wissen konnte, dass sie einen Anspruch auf mehr Geld gehabt hätte, und natürlich nicht geklagt hatte, weil sie ja froh war, dass sie überhaupt einen Job hatte. Und das Gericht lehnt ihren Anspruch ab. Vom obersten Arbeitsgericht nicht sanktionierte, sondern für legal erklärte Ausbeutung. JÖRG RUPP, Malsch

Für einen Moment wachgerüttelt

■ betr.: „Auf die Behörden ist kein Verlass“, taz vom 12. 3. 13

Endlich werden die Dinge beim Namen genannt. Jahrelang wurde uns Indien von den Medien als Musterdemokratie vorgegaukelt. Aber was ist daran demokratisch, wenn 300 Millionen Analphabeten ihren Daumendruck dort machen, wo es ihnen der Großgrundbesitzer, der Guru oder der örtliche Politiker mithilfe von ein paar Rupien vorschreiben? Und was nützen alle Gesetze und Beteuerungen, wenn eine in Beton gegossene Bürokratie, ein brutaler Polizeiapparat, korrupte Politiker, ein archaisches Kastensystem und eine zutiefst menschenverachtende Frauendiskriminierung den Alltag bestimmen? Es ist wahr: Die entsetzliche Vergewaltigung und Ermordung einer Studentin in Delhi hat Indien wachgerüttelt – aber nur für einen Moment. In den Köpfen wird sich auch auf absehbare Zeit nichts ändern. BARBARA SKERATH, Köln