Die Spirale des Hasses

FESTNAHMEN Die Polizei findet bei Salafisten eine Liste mit neun Namen von Funktionären der rechtsextremen Partei „Pro NRW“, eine Pistole und Chemikalien. Islamfeinde und Islamisten bekriegen sich seit Monaten

Seit November wurden die vier Männer verdeckt von der Polizei überwacht

VON PASCAL BEUCKER
UND WOLF SCHMIDT

KÖLN/BERLIN taz | Es ist der vorläufige Höhepunkt der Hassspirale zwischen Islamisten und Islamfeinden. Nach Überzeugung der nordrhein-westfälischen Ermittler wollten vier Männer zwischen 23 und 43 Jahren den Chef der rechtsextremen Partei „Pro NRW“ ausspähen, um möglicherweise einen Mordanschlag auf ihn zu verüben. Schon vor zehn Monaten war ein Aufruf im Netz veröffentlicht worden, Mitgliedern der für ihre antimuslimischen Provokationen berüchtigten selbst ernannten „Bürgerbewegung“ aufzulauern und sie umzubringen.

Seit November hatten die Essener Polizei und die Dortmunder Staatsanwaltschaft die vier jetzt festgenommenen Männer im Verdacht, „schwere staatsgefährdende Straftaten“ zu planen, und überwachten sie deshalb mit verdeckten Mitteln.

Als schließlich zwei von ihnen um kurz nach zwölf Uhr in der Nacht auf Mittwoch mit dem Auto im Wohnviertel des „Pro NRW“-Chefs Markus Beisicht in Leverkusen unterwegs waren, gingen die Behörden auf Nummer sicher. Ein Sondereinsatzkommando der Polizei nahm die beiden fest, um eine mögliche Gefahr abzuwehren.

Eine Waffe hatten die beiden Männer allerdings nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht dabei, so dass man bisher davon ausgehen muss, dass sie in dieser Nacht höchstens die Gegend, in der Beisicht wohnt, für künftige Pläne auskundschafteten.

Dafür machte die Polizei bei den zwei weiteren Verdächtigen, deren Wohnungen in Essen und Bonn sie noch in derselben Nacht durchsuchte, brisante Funde: Neben einem Totschläger, Schreckschusswaffen und einer schusssicheren Weste stellten die Ermittler dabei auch eine scharfe 7,65-Millimeter-Pistole samt Munition sicher sowie 616 Gramm einer „explosionsfähigen Chemikalie“, wie es ein Polizeisprecher am Donnerstag etwas vage formulierte.

Gefunden wurde bei den vier Männern, die nach Angaben der Polizei alle der salafistischen Szene zuzuordnen sind, zudem eine vermutlich aus dem Internet heruntergeladene Liste mit „Pro NRW“-Funktionären. Auf ihr sollen neun Namen rot markiert worden sein – darunter der des Chefs der rechtsextremen Partei, Markus Beisicht.

Am Donnerstagnachmittag wurden die vier Verdächtigen dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Dieser entschied aber erst am Abend nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe darüber, ob das Quartett in Untersuchungshaft kommt oder nicht. Die Verdächtigen selbst schwiegen nach Angaben der Dortmunder Staatsanwaltschaft zunächst zu den Vorwürfen.

Begonnen hatte die gefährliche Zuspitzung zwischen Islamisten und Islamfeinden im Frühjahr vergangenen Jahres. Vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen startete „Pro NRW“ eine Tour zu angeblichen „Brennpunkten der Islamisierung“. Mit einer Karikatur des Propheten, auf der dieser eine Bombe unter dem Turban trägt, tingelten die Rechten durchs Land, um zu provozieren.

Anfang Mai kam es darauf im Rheinland zu schweren gewältigen Ausschreitungen von Islamisten. In Solingen versuchten mehrere Dutzend Salafisten eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen und schlugen mit Stöcken auf die Beamten ein. Wenige Tage später lieferten sich vor der Bonner König-Fahd-Akademie rund 200 militante Fanatiker eine Straßenschlacht mit der Polizei. Zwei Beamte wurden von einem Messerstecher schwer verletzt.

Kurz darauf wurde der Aufruf im Internet veröffentlicht, „Pro NRW“-Mitgliedern aufzulauern und sie zu töten – ein knappes Jahr später könnten sich Salafisten in Nordrhein-Westfalen womöglich daran orientiert haben.

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