Werben mit Seehofer

Heute verhandelt der EuGH die deutsche Klage gegen das EU-Tabakwerbeverbot. Bis zum Urteil wird geworben

FREIBURG taz ■ Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) hat die Umsetzung des EU-Tabakwerbeverbotes in Deutschland gestoppt. Er will zunächst das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) abwarten, der heute über die deutsche Klage gegen das Verbot verhandelt. Eigentlich hätte die EU-Richtlinie über das Tabakwerbeverbot bis zum 31. Juli 2005 umgesetzt werden müssen.

Schon vor drei Jahren beschloss der EU-Ministerrat ein Verbot von Tabakwerbung in Zeitungen, Zeitschriften, im Rundfunk und im Internet. Außerdem wird Tabakfirmen das Sponsoring von grenzüberschreitenden Veranstaltungen wie der Formel 1 untersagt. Tabakwerbung im Fernsehen ist schon lange verboten. Doch bereits die rot-grüne Bundesregierung klagte gegen die EU-Richtlinie. Begründung: Die EU habe keine Kompetenz zur Vereinheitlichung der Gesundheitspolitik. Das Argument der EU – es gehe um die Vereinfachung des Binnenmarkts – sei vorgeschoben, da zum Beispiel nur ein Prozent der deutschen Zeitschriften im Ausland verkauft werden. Die Bundesregierung akzeptierte nur das Werbeverbot in der Formel 1.

Im Mai überraschte allerdings Seehofers Vorgängerin Renate Künast (Grüne) mit der Ankündigung, sie wolle das Werbeverbot trotz der deutschen Klage rechtzeitig umsetzen. „Wenn man feststellt, dass ein Verhalten grundsätzlich ungesund ist – und zwar für den, der raucht, und den, der nicht raucht –, dann fällt es mir schwer, dieser Werbung etwas Positives abzugewinnen“, erklärte Künast damals. Zugleich argumentierte sie formal: Die deutsche Klage gegen die EU-Richtlinie habe keine aufschiebende Wirkung, also müsse die Richtlinie auch fristgerecht umgesetzt werden. Tatsächlich legte Künast dem Bundesrat auch alsbald einen Gesetzentwurf vor. In den Wirren um die Bundestagsauflösung ging der Entwurf unter.

Nach dem Ausscheiden von Künast hat es die Bundesregierung nun nicht mehr eilig. Die neue Marschroute lautet: „Wir warten erst mal das Urteil aus Luxemburg ab.“ Das allerdings kann dauern. Heute ist mündliche Verhandlung, in einigen Monaten stellt der unabhängige Generalanwalt sein Votum vor, und weitere Monate später ist mit einem Urteil zu rechnen. Zumindest so lange kann mit Tabakwerbung weiter Geld verdient werden.

Die Bundesregierung steht unter gewaltigem Lobbydruck. Vor allem Verleger und Werbebranche lassen kein gutes Haar an der EU-Richtlinie. „Für ein legales Produkt muss man auch werben dürfen“, erklärt Wolfgang Fürstner, der Geschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger. Auch der Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft mutmaßt: „Wenn die EU mit dem Tabakwerbeverbot durchkommt, wäre der Weg auch für Werbeverbote bei Alkohol, Süßigkeiten oder Autos frei.“

Dagegen begrüßt die Deutsche Krebshilfe das Werbeverbot: „Wir beobachten ganz klar einen Zusammenhang zwischen der Tabakwerbung und dem Tabakkonsum, insbesondere bei Jugendlichen und Kindern“, sagte deren Suchtexperte Anil Batra. Weniger aufgeregt sind ausgerechnet die Tabakkonzerne: Auch ein Werbeverbot halte die Leute nicht vom Rauchen ab.

In Luxemburg hat die deutsche Klage eher schlechte Karten. Denn im Oktober 2000 hat sich der EuGH schon einmal mit einem EU-Tabakwerbeverbot beschäftigt. Damals kippte er zwar ein umfassendes Werbeverbot – weil im ersten Anlauf auch Kinowerbung und Plakattafeln miterfasst waren und keine Grenzen überschreiten. Werbeverbote in Zeitschriften und Radio sowie beim Sponsoring hielten die EU-Richter aber ausdrücklich für möglich. Es ist nicht ersichtlich, warum der EuGH dies inzwischen anders sehen sollte.

CHRISTIAN RATH