Kein Aufschub in Göttingen

FLÜCHTLINGE Ausländerbehörde für Stunden besetzt, um zwei Familien vor der Abschiebung zu bewahren

Im Göttinger Rathaus informiert seit Donnerstagabend eine Ausstellung über die Folgen der Abschiebungen von Flüchtlingen ins frühere Jugoslawien. Ein paar Räume weiter, bei der Ausländerbehörde, werden ganz aktuell Abschiebungen in das Kosovo verfügt. Rund 20 Flüchtlinge und ihre Unterstützer besetzten am gestrigen Freitag Vormittag rund drei Stunden lang das Amt.

„Konkret fordern wir, dass die Duldungen für zwei Roma-Flüchtlingsfamilien aus dem Kosovo verlängert werden“, sagte ein Sprecher der Gruppe. Die Duldungen für eine fünf- und eine sechsköpfige Familie liefen am Montag aus.

Nach Angaben des Göttinger Stadtsprechers Detlef Johannson handelt es sich bei den beiden aktuellen Fällen um eine Familie und eine Einzelperson. „Die Duldungen werden nicht verlängert“, sagte er. Und schloss zugleich nicht aus, dass die Flüchtlinge bereits am nächsten Dienstag ins Kosovo gebracht werden: Da ist ein Abschiebeflug von Düsseldorf nach Pristina gebucht.

Flüchtlingsinitiativen zufolge leben die jetzt Betroffenen seit mehr als zehn Jahren in Deutschland. Die Kinder besuchten Schulen und Kindergärten, die Erwachsenen hätten trotz Schwierigkeiten bei der Jobsuche zumindest zeitweise eine bezahlte Beschäftigung gehabt.

Keine Spielräume

Wie aus anderen Teilen Niedersachsens sind auch aus der Stadt und dem Kreis Göttingen in den vergangenen Wochen etliche Kosovo-Flüchtlinge abgeschoben worden. Vielen weiteren droht die Ausweisung. Die Landesregierung in Person von Innenminister Uwe Schünemann (CDU) gibt den örtlichen Ausländerbehörden keinerlei Ermessenspielräume. Darauf wiesen am Freitag auch die Mitarbeiter des Göttinger Amtes hin.

Im vergangenen September erst hatte der Göttinger Stadtrat an das Land appelliert, keine Angehörigen von Minderheiten mehr ins Kosovo abzuschieben. Zehn Jahre nach Ende des Krieges würden dort insbesondere Sinti, Roma und Serben bedroht und hätten keine Perspektive.

Die von Abschiebung Bedrohten leben unter großem Stress. „Wir schlafen keine Nacht länger als drei oder vier Uhr“, sagt eine Frau aus Göttingen. Auch die Kinder seien dann schon wach, weinten oder versteckten sich.

Am Mittag drohte die Stadt Göttingen gestern mit einer polizeilichen Räumung. Die Besetzer verließen daraufhin das Rathaus. Am Montag wollen sie aber wiederkommen. REIMAR PAUL