Eiszeit neben dem Spielfeld

EISHOCKEY Ausgerechnet vor dem Start der Play-offs liegen die Eisbären-Fans mit dem Club über Kreuz. Sie beklagen hohe Eintrittspreise. Der Verein verweist auf Millionenverluste

Die Entwicklung ist ähnlich fortschreitend wie im Fußball – und der Protest wichtig

VON JENS UTHOFF

Manchmal bringt ein simples Lied auf den Lippen das Geschehen ganz gut auf den Punkt. Der 80er-Jahre-Hit „We’re not gonna take it anymore“ von Twisted Sister ist so ein Auf-den-Punkt-Song, der bei den Fans des Eishockeyclubs Eisbären Berlin derzeit Hochkonjunktur hat. „We’re not gonna take it“ singen sie in einem YouTube-Video, textlich abgewandelt: „Eure Kartenpreise sind absolute Scheiße / Ihr wollt nur noch Kohle / nicht mehr uns“.

Das dürfte erst der Anfang der Proteste sein. Wenn sich am kommenden Mittwoch in der Arena am Ostbahnhof die Eisbären Berlin und die Hamburg Freezers zum ersten Viertelfinal-Play-off in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) gegenüberstehen, sollen weitere Aktionen von Seiten der Fans folgen. Sie richten sich gegen die Ankündigung des Clubs, die Dauerkartenpreise je nach Block um 5 bis 40 Prozent zu erhöhen. Die Fans haben sich daraufhin zu der Aktion „Eishockey muss bezahlbar bleiben“ zusammengefunden. Vielleicht bleiben sie dem ersten Play-off-Spiel sogar gänzlich fern. Ein Vertreter des Fanclubs Black Corner sagte der taz, es sei eine Entschuldigung seitens des Clubs fällig, der die Fans vor vollendete Tatsachen gestellt habe. „Man muss mit uns rechnen“, sagt er über die Entschlossenheit der Anhänger.

Der Zwist überlagert momentan das Sportliche: Auf dem Eis scheinen die Freezers den Eisbären auf den Pelz zu rücken. In der Gesamtbilanz liegen die Eisbären mit 41 zu 17 Siegen zwar noch eindeutig vorn, aber von den letzten sechs Partien gewannen die Freezers vier. Die Play-off-Bilanz: 12:2 für die Eisbären.

Ob die am Freitag bekannt gewordene Kehrtwende im Verkaufsverfahren der Anschutz Entertainment Group (AEG), Mutterkonzern der Eisbären GmbH, zur Entspannung bei den Eintrittspreisen beitragen wird, ist offen. Eigentlich sollte die gesamte AEG, Besitzer zahlreicher Sportclubs und Eventstätten, für etwa sieben Milliarden Dollar verkauft werden. Nun erklärte die Anschutz Company um den 73-jährigen Eigner Philip Anschutz, das Unternehmen werde nicht verkauft. AEG besitzt den Berliner Eishockeyverein zu 100 Prozent. Auch der Gegner am Mittwoch, die Hamburg Freezers, gehört zu 70 Prozent dem Unternehmen aus Los Angeles.

Die Entertainment Group begründet die Preiserhöhung damit, dass die Eisbären GmbH derzeit ein Minus erwirtschafte – von zwei Millionen Euro jährlich ist die Rede. Und das, obwohl das Team der erfolgreichste Club in der Geschichte der DEL und die Arena mit ihren rund 14.000 Plätzen stets ausverkauft ist. Da keine offiziellen Zahlen genannt werden, sind die Fans gegenüber dieser Darstellung skeptisch.

Und die geplanten Erhöhungen sind nicht eben moderat: In der Fankurve sollen einige Dauerkarten von 400 und 480 Euro erhöht werden. Rollifahrer, die die Spiele zuvor kostenfrei sehen konnten, sollen plötzlich 270 Euro bezahlen.

„Dann können wir Rollis nicht mehr kommen wenn ihr Eisbären Funktionäre das wollt dann macht so weiter“, schreibt Rolli-Fahrer „Axel Ostberlin“ auf der Facebook-Seite der Eisbären. „Das Problem ist vielleicht gar nicht, dass die Preise erhöht werden, sondern die Art und Weise, es ist ungleich verteilt“, sagte Susanne Wegener vom Fanbeirat zuletzt, „das war ein Schlag in die Magengrube.“ Die treuen Fans haben das Gefühl, man wolle so die Dauerkartenbesitzer vergraulen, um die lukrativeren Einzeltickets an den Mann und die Frau zu bringen.

Die Dauerkarten-Causa sorgt auch im Club für Unruhe, sodass sich mittlerweile weder der Fanbeirat noch Clubvertreter äußern wollen. „Wir wollen jetzt den Dialog mit den Fans wieder suchen“, sagt Daniel Goldstein, Pressesprecher des Clubs, „und nicht über die Medien mit den Fans kommunizieren.“

So darf man mit lautem Protest am Mittwoch rechnen. „Bitte achtet auf die aktuellen Informationen!“, heißt es in Fanforen. Unterstützung könnte sogar von den Gästefans kommen: „Eigentlich ist man aufgrund der Rivalität zwischen den Vereinen sehr zwiegespalten“, sagt Dennis Kerkamm, Sprecher des Fanbeirats der Hamburg Freezers, „aber Rivalität hin, Rivalität her – was die da im Moment machen, geht gar nicht.“ Vergleichbare Preiserhöhungen habe es in Hamburg nie gegeben.

Der Fan-Protest gegen hohe Ticketpreise ist also im Berliner Eishockey angekommen. Er wird dort genauso wichtig sein wie im Fußball, denn die Entwicklung der Clubs zu Unternehmen, denen finanziell potente Kunden wichtiger sind als jene eingefleischten in der Kurve, ist im Eishockey ähnlich fortschreitend. „Mit jeder Dauerkarte besetzt man einen lukrativen Platz, welcher mit einem Einzelticket besser verkauft werden könnte“, wird AEG-Sprecher Moritz Hillebrand vom Fanbeirat der Eisbären zitiert. Das wiederum ist ein Satz, der es auf den Punkt bringt wie ein Song.