Rechter bei den Linken: Herzklopfen zu Hermanns Füßen
Drei Monate bestritt Edmund Weidlich, damals Kreisschatzmeister der Linken, seine Kontakte zu Rechtsextremen. Dabei war er lange im NPD-Vorstand.
BREMEN taz | Wenn die „Elfriede“ an den „lieben Heinz“ und die „liebe Sabine“ in einem handschriftlichen Brief erzählt, wie ihr „das Herz in der Brust aufgeht“ und der Edmund dabei stehe und auch immer an den Heinz gedacht habe und der Markus auch dabei ist, dann klingt das nur rührselig. Das Dokument birgt aber politischen Sprengsatz.
Denn die „Elfriede“ heißt mit Nachnamen Budina und ist derzeit Bundestagskandidatin für die NPD in Bremen, der liebe „Heinz“ ist der frühere NPD-Vorsitzende und rechtsradikale Bürgerschaftsordnete (1991–1995) Heinz-Otto Weidenbach, Sabine seine Frau. „Markus“ ist der vor Jahren einmal wegen Totschlags verurteilte Anführer der rechtsradikalen Jugend, Markus Privenau, ein führender NPD-Kader. Und „Edmund“ schließlich – der ist heute ein Mitglied von Die Linke, bis vor kurzem sogar der Schatzmeister des Kreisverbandes Links der Weser.
Die muntere Reisegruppe hatte das Hermannsdenkmal in Detmold besucht. „Da geht einem das Herz auf“, schwärmte Budina, und musste ihre Gefühle offenbar unmittelbar an den alten Vorsitzenden Heinz melden. Das war im Jahre 2005. Damals war Edmund Weidlich noch nicht Mitglied der Linken. Das wurde er sechs Jahre später, und gleich 2012 stieg er dort in den Kreisvorstand auf.
Lücken im Lebenslauf
Die Mitgliederlisten und ihre Kontoverbindungen habe er nie in die Hand bekommen, beteuern andere. Wir hätten Weidlich gern gefragt, ob er ein erfolreicher Absolvent des Ausstiegsprogramms des Verfassungsschutzes ist oder wie seine Wandlung von ganz rechts nach ganz links sonst geschehen konnte, aber er weigert sich inzwischen, mit der Presse zu sprechen. In seinem Lebenslauf gibt es zwischen 1990 und 1997 eine auffällige Lücke – das war aber lange Zeit niemandem aufgefallen. Im Herbst vergangenen Jahres hatte Patrick Spahn, der Antifaschismus-Referent der Fraktion der Linken, einen Hinweis auf Weidlichs braune Vergangenheit bekommen, sich aber wegen eines längeren Spanien-Aufenthalts nicht sofort darum kümmern können. Im März 2013 erfuhren die Kollegen im Kreisvorstand der Linken davon – und waren entsprechend entsetzt.
Über seine Vergangenheit hatte Weidlich nie erzählt, Kontakte mit Rechten bestritt er. Nur dass er stellvertretender Vorsitzender bei der „Reservistenkameradschaft Roland von Bremen“ war und die Ehemaligen-Treffen des Zerstörers Schleswig-Holstein organisierte, das räumte er ein. Man konnte es auch im Internet lesen. Ja, und es habe eine Fahrt zum Hermannsdenkmal gegeben, 2005, deren TeilnehmerInnen habe er aber nicht gekannt, beteuerte er.
Die Genossen waren nicht ganz überzeugt, aber es gab auch keine eindeutigen Beweise. Seine Parteiämter legte Weidlich im März 2013 nieder. Austreten wollte er aber nicht. Spahn beantragte Anfang Mai den Parteiausschluss.
Noch vergangenen Sonntag war Weidlich aber dabei, als die Kreismitgliederversammlung erbittert stritt über den Rücktrittsantrag gegen Parteisprecher Michael Horn. „Das war schon ein mulmiges Gefühl“, sagt ein Teilnehmer der Versammlung, ging es doch bei dem Rücktrittsantrag letztlich um einen Antisemitismus-Vorwurf Horns an die Adresse von Teilen des Kreisverbandes.
Weidlich war strikt dagegen, den Verfassungsschutz aufzulösen
Weidlich aber, so sagen alle, die ihn innerhalb der Linken kennengelernt haben, äußerte sich politisch meist nicht, auch nicht im Zusammenhang der umstrittenen Palästina-Veranstaltung in der Villa Ichon und dem Antisemitismus-Streit. Nur einmal, als die Forderung nach Auflösung des Verfassungsschutzes diskutiert wurde, da war er hellwach und strikt dagegen.
Als am vergangenen Sonntag die Wogen hoch schlugen bei der Debatte über die Frage, wer wann was über Weidlich wusste und wie sicher die Beweise für die erhobenen Vorwürfe denn seien – Weidlich hatte die Versammlung bereits verlassen –, da zog Patrick Spahn einen Zettel aus der Tasche: Aus den Unterlagen des Bundeswahlleiters gehe hervor, erklärte er der verblüfften Versammlung, dass Weidlich in den Jahren 1986, 1988 und 1990 als Mitglied des Bremer NPD-Vorstandes gemeldet worden war.
Das bedeutet zum Beispiel, dass er Hans Weidenbach als seinen früheren Vorsitzenden sehr gut gekannt haben muss. Er hat die Genossen also dreist belogen.
Weidlich mit Gedächtnisschwächen
Noch vor drei Monaten hatte Weidlich gegenüber der taz behauptet: „Das ist alles erlogen, da stimmt gar nichts von.“ Nachdem die Dokumente des Bundeswahlleiters in der Welt sind, schweigt er gegenüber der taz. Unter vier Augen hat er aber eingeräumt, dass da etwas war, das lange her sei und er eigentlich vergessen habe.
Gedächtnisschwäche, die Weidlichs organisatorisches Talent allerdings nicht beeinträchtigt: Schon jetzt ist die Anmeldeliste lang für das Treffen zur Feier von „50 Jahre Zerstörer Schleswig-Holstein“, zu dessen Besatzung der Mann einst gehört hat. Weltweit sind die vielen Mannschaftsmitglieder des 1994 außer Dienst genommenen Bundeswehr-Kriegsschiffes verstreut.
Weidlich hat sich an alle erinnert, sie aufgespürt und eingeladen fürs Treffen vom 11. bis 12. Oktober 2014 in Wilhelmshaven. Und die meisten, die sich ins online-Gästebuch eintragen, erinnern sich gern an „eine schöne Zeit“ auf dem Zerstörer und loben den „Edmund“ für die gute Planung.
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