Die Knigge-Frage: Wie viel gibt man Straßenmusikern?
In der U-Bahn, im Café, im Restaurant: Menschen, die Musik machen, ohne dass man sie darum gebeten hat, sind überall. Wie viel Geld sollte man ihnen geben?
Wirtschaftswissenschaftlich betrachtet ist der Straßenmusiker nur Anbieter einer akustischen „Freeware“, deren Nutzung dem prinzipiell bedarfslosen „Verbraucher“ förmlich aufgedrängt wird. Wie also etwas honorieren, vor dem es kein Entrinnen gibt?
Zunächst sollte überhaupt nur bezahlt werden, sofern die Musik gefällt. Schon Adolph Freiherr Knigge stellte mitfühlend fest, dass der Musikant „oft Natur, Bescheidenheit, Einfalt und Würde der Mode und dem Vorurteile aufzuopfern, sich mit falschem Glanze auszurüsten, sich zum Windbeutel und Spaßmacher zu erniedrigen gezwungen ist, um zu gefallen und Brot zu finden“.
Womit sich Almosen verbieten. Sei es also wie auf dem freien Markt, wo angeblich das Angebot die Nachfrage regelt. Nur ist Straßenmusik eigentlich immer ein Angebot ohne Nachfrage. Musiker sind „keine gefährlichen, aber desto eitlere und oft sehr zudringliche“ Leute. Ihrem Geschäft gehen sie bekanntlich auf Straßen nach, in U-Bahnhöfen und in den U-Bahnen selbst.
Im iTunes-Store kostet ein Song mindestens 69 Cent, maximal 1,29 Euro. Was wäre uns welche Musik wert? Und wer möchte entscheiden, ob diese Musik gut ist?
Diesen Text lesen Sie in der taz.am wochenende vom 6./7. Juli 2013. Darin außerdem: Was machen die mit meinen Daten? Die Titelgeschichte "Wir wissen, was du morgen tun wirst". Im Dschungel Ecuadors wehrt sich ein Dorf gegen die Begierden der Erdölindustrie. Und der Streit der Woche zur Frage: Darf man öffentlich knutschen? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Über dieses Thema kann nicht geschrieben werden, ohne das berühmte Experiment der Washington Post zu erwähnen. 2007 spielte Joshua Bell, einer der besten Geiger der Welt, morgens 43 Minuten in einem U-Bahnhof große Stücke von Bach und Schubert. 1.097 Menschen hasteten vorbei, sieben blieben stehen, um zuzuhören. Bell verdient normalerweise 1.000 Dollar in der Minute, diesmal waren es 32,17 Dollar.
Wer nervt, bekommt nichts. Wer nicht nervt, bekommt einen freundlichen Euro. Und wer berührt, dem sollten wir Herz und Portemonnaie öffnen – und ihn mit einer ebenso berührenden Summe bedenken.
Leser*innenkommentare
noevil
Gast
Neulich, in der Hamburger S-Bahn, kamen drei Musiker herein. Ich dachte erst "oh je, ich kann meine Ohren nicht zuklappen". Was dann kam, machte allen Fahrgästen Spaß, tolle Tanzmusik, ein wirksamer Gute-Laune-Zauber. Ich sah nur lachende Gesichter die S-Bahn verlassen; das war mir zwei Euronen wert. Die Bahn verließ auch ich mit einem vergnügten Lachen im Gesicht.
tazitus
Gast
Das sind bedauernswerte Menschen, die sich durch Kunst belästigt fühlen.
tikitiki
Gast
Eigentlich geb ich fuer die Taz gerne, wenn ich online lese. Heute lass ich's mal sein. Wer nervt kriegt nix.
majo
Gast
Gibt bestimmt auch viele Musiker, die einfach auf der Straße üben und nicht daheim. Vermutlich weil ihnen die Nachbarn sonst das Leben zur Hölle machen.
Thomas Ritter
Gast
"ohne, dass man sie darum gebeten hat"...das ist leider wieder typisch Deutsch. In anderen Ländern wie z.B. Skandinavien werden Straßenmusiker weitaus mehr geschätzt und man hört ihnen öfter/länger zu (meine Beobachtung). Dass es in der Bahn manchmal stört, kann ich verstehen, aber ein Schmunzeln täte den Deutschen da besser als grimmig drein zu schauen.
Wie war das? Böse Menschen kennen keine Lieder...
Micha
Gast
"Wer nicht nervt, bekommt einen freundlichen Euro"?
Soll das ein Witz sein? Entweder bekommen Kulturschaffende wie Arno Frank deutlich zu viel Geld oder haben einen arroganten Musik-taste.
Wolfgang Nowak
Gast
Bittedanke was?
Ich freue mich über jedes kleine Pieselchen von Menschen vorgetragener Musik beinahe jeglicher Qualität und Spielart.
Anders als über Kaufhausmuckenverdummungsberieselung oder dem *UMPF*UMPF* der Lobotomoisierungsmaschine aus dem schnieken Klamottenladen hat bei der Strassenmusiziererei jemand zumindest einen Grund, Musik darzubieten und riskiert sogar einiges: Unwirsche Ordnungshüter, pöbelnde Passanten, abends hungrig ins Bett zu kommen und negative Kritiken. Mindestens einer der Gründe ist auch wirklich existenziell, jedenfalls bei den meisten Strassenmusikern.
Aber das kriegt man in die Köpfe mit dem Aufbapper "LoHas" nicht rein. Phasenverschobene Realitätswahrnehmung. Mein Tip:
Den nächsten Trip statt mit dem Flieger zum OpenAir in Portugal mal in irgendeine größere Kleinstadt, ohne Geld, mit Penntüte, vorher sich auf der Gitarre "Lady in black", "Turn the page", "Whiskey in the jar", "House of the rising sun" und ähnliches beigebracht und einfach mal gucken, ob man denn doch möchte, dass Leute einem etwas reinschmeissen, obwohl man nicht spielen kann wie John McLaughlin.
Das wär doch mal echt n stylisch chilliger Urlaub, nä?
Hans
Gast
"Wer nervt, bekommt nichts. Wer nicht nervt, bekommt einen freundlichen Euro."
Ich würde auch gern mal fürs nicht nerven bezahlt werden.
Selbst wenn die Musik nicht nervt und mir gefällt und ich Geld geben möchte, finde ich 1 Euro doch ziemlich hoch.
reblek
Gast
"Bell verdient normalerweise 1.000 Dollar in der Minute, diesmal waren es 32,17 Dollar." - Sprachlich würde das bedeuten: 32,17 Dollar in einer Minute. Aber aus dem Zusammenhang heraus ist klar, dass es sich um den Verdienst für 43 Minuten handelt.
M-4.5
Gast
Wie viel gibt man Straßenmusikern?
Also ich gebe grundsätzlich nichts, nicht mal ein Lächeln.
Ich habe nichts bestellt, also bezahle ich auch nichts.
Mich nerven und kotzen die teils talentfreien Nervensägen an - müßte eigentlich verboten werden.Wenns ganz blöd läuft, kann man dann nicht mal die Ansage im Zug hören, welche Station jetzt kommt.
Eine Ausnahme gab es mal, U-Bahnhof Friedrichstraße, ein Russe hatte Bach's "Toccata und Fuge" auf einem Akkordeon gespielt - das hatte so geil gerockt und mich voll auf Film geschickt.
Der Mann war spitze und konnte spielen, der hat was von mir bekommen.
Ansonsten halte ich es so wie weiter oben schon beschrieben.
tommy
Gast
Am besten gar nichts - diese Lärmbelästiger sollen doch froh sein, wenn sie für ihr Generve nicht verprügelt werden.
ein_muenchner
Gast
Strassenmusiker in der S oder U-bahn -- das ist moderne Wegelagerei.
Bisher haben diese Typen noch keinen dauerhaften Fuss in die Tuere des Muenchner Oeffentlichen Nahverkerkehrs bekommen. Zum Glueck.
klaus
Gast
gar nix
Robert
Gast
Wer nervt, bekommt nichts. Wer nicht nervt, bekommt einen freundlichen Euro. Und wer berührt, dem sollten wir Herz und Portemonnaie öffnen – und ihn mit einer ebenso berührenden Summe bedenken.
Zacharias Zorngiebel
Gast
Man sollte 5 € geben - damit er aufhört.
Christian Christou
Gast
Bla Bla Bla Sommerloch i quatschofurzi...
Sorry, was für eine blöde Frage...
Straßenmusik IST
Da sind MENSCHEN die für Andere was Schönes machen...
Was für eine Bereicherung...egal wie gut...mal ehrlich...da soll doch jeder einfach selbst reinfühlen und dann weitergehen...intellektuelles Reflektieren tut einer ehemalig alternativen Zeitung nicht gut- oder paßt einfach ganz gut.
Beste Grüße aus dem Süden.