Ohne Führerschein auf die Kanaren

GESCHENKT Wie ein Leser der taz dem Leben eines ehemaligen Gefangenen – Klaus Witt – neuen Sinn verleiht und ein sehr großes Herz beweist

Als die taz in ihrer letzten Weihnachtsausgabe den Exknacki Klaus Witt interviewte, sagte der, um in Freiheit irgendwie Fuß zu fassen, bräuchte er dringend einen Führerschein. Ohne Führerschein liefe rein gar nichts. Doch den wollte das Arbeitsamt eben nicht finanzieren. Er war gefrustet von den Hindernissen, die einem wie ihm in Freiheit begegnen. Einige Wochen später aber rief ein taz-Leser an und bewirkte eine Veränderung.

„Den Führerschein für Herrn Witt bezahle ich“, sagte der taz-Leser. Das Gespräch war nicht besonders ausführlich. Er wollte auch nicht viel Aufhebens um die Sache machen oder irgendwelche weiteren Details zu Witt erfahren. Er wollte nur den Führerschein bezahlen und anonym bleiben. Über 1.500 Euro für einen fremden Exräuber, der bis vor Kurzem noch in Sicherungsverwahrung saß. Manche taz-Leser – sie unterscheiden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit von den Online-Kommentar-Schreibern – schaffen es, selbst den griesgrämigsten Redakteur zu rühren. Kurz zuvor etwa hatte eine taz-Leserin einer Frau fast 1.000 Euro gespendet, weil sie, wie meine Kollegin geschrieben hatte, ihre Stromrechnung nicht bezahlen konnte.

Erstaunlich genug. Aber die Geschichte mit Witt geht weiter. Denn der hatte mittlerweile den Eindruck gewonnen, dass er selbst mit einem Führerschein keine Chance bekommen würde. Ein Mann, über 60 Jahre alt und rund die Hälfte seines Lebens im Knast verbracht. Witt fragte, ob es auch okay wäre, wenn ihm der Leser anstatt eines Führerscheins vielleicht auch einen Pauschalurlaub auf die Kanaren spendieren würde. Klaus Witt ist einer, der nicht zu viel drum herumredet.

Zwei Jahre vor dem Weihnachtsinterview hatte Witt in seiner Zelle in der Sicherungsverwahrung der JVA Tegel gesessen. Er wusste zu diesem Zeitpunkt weder wann, noch ob er überhaupt je wieder in Freiheit kommen würde. Die eigentliche Haftstrafe hatte er zwar längst abgesessen. Doch über seine Freiheit entschied ein Gutachter. Der hatte bisher immer festgestellt, Witt würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erneut schwerwiegende Straftaten begehen. In dieser Situation gab es nur eine Sache, die Witt half, nicht zu resignieren: Er wollte unter keinen Umständen in dieser miefigen Zelle sterben.

Zwei Jahre später war er zwar in Freiheit, doch die überforderte ihn. Um den Kopf freizukriegen, wollte er auf die Insel. Seinen Lebensabend auf den Kanaren zu verbringen ist ohnehin ein Traum von Klaus Witt. Der noble taz-Leser fragte nicht nach. Er wog nicht ab, ob ein Führerschein die bessere Investition wäre. Nichts. Er fragte nur, wohin er das Geld überweise solle. Also setzte sich Witt anstatt in das Auto einer Fahrschule in ein Flugzeug nach Teneriffa.

Zwei Wochen blieb er da, und dann rief er wieder an: „Das war das Beste, was ich seit zwanzig Jahren erlebt habe. Bitte sagen Sie das dem Leser.“ Vor zwanzig Jahren hatte Witt für kurze Zeit eine Freundin in Freiheit. Witt sagte nach der Reise: „Ich habe wieder ein Ziel, für das es sich lohnt zu kämpfen“. So wie damals in der Sicherungsverwahrung.

Nun will er alles daransetzen, auf der Insel Fuß zu fassen. Falls ihm jemand helfen möchte: bitte melden! KAI SCHLIETER