Steven und Tiwonge, ein Skandal

HOMOEHE Die Debatte um Homosexualität in Afrika eskaliert: Zwei Männern, die sich in Malawi kirchlich verlobten, droht 14 Jahre Haft. Auch Solidarität mit ihnen wird bestraft

VON DOMINIC JOHNSON

Für Afrika ist es unerhört, für Europa auch, aber aus entgegengesetzten Gründen. Dass in Malawi zwei Schwule hinter Gittern sitzen, weil sie sich öffentlich verlobten, erregt viele Afrikaner wegen der zur Schau gestellten Homosexualität und viele Europäer wegen ihrer Kriminalisierung.

Der 26-jährige Steven Monjeza und der 20-jährige Tiwonge Chimbalanga zelebrierten am 26. Dezember in der Stadt Blantyre vor 500 Gästen eine kirchliche Verlobung, als Vorstufe zu einer wirklichen Heirat. Die Polizei nahm sie zwei Tage später fest; sie wurden wegen „Erregung schweren öffentlichen Ärgernisses“ und „unnatürlicher Akte“ zwischen Männern angeklagt. Ihnen drohen nun bis zu 14 Jahre Haft. Homosexualität ist in Malawi wie in fast allen afrikanischen Ländern verboten. Nur in Südafrika sind gleichgeschlechtliche Ehen seit 2006 erlaubt.

Als den beiden bei einer richterlichen Anhörung am 4. Januar die Freilassung auf Kaution verweigert wurde, laut Haftrichter zu ihrer eigenen Sicherheit, wurde der Fall auch international wahrgenommen. Amnesty International fordert Freiheit für die beiden Malawier. Am Donnerstag wurde bekannt, dass drei malawische Menschenrechtsaktivisten des Centre for the Development of People (CEDEP), die sich für die Homosexuellen eingesetzt hatten, ebenfalls festgenommen worden sind. Allerdings sind sie zunächst auf Kaution wieder frei. Einer soll wegen Verbreitung von Pornografie angeklagt werden, weil er Aufklärungsmaterial zur Aids-Prävention über „safe sex“ bei sich hatte.

Dies sorgt nun auch in Malawi für Bestürzung. Zwar gilt Homosexualität weithin in Afrika als Tabu, und in Uganda liegt dem Parlament ein Gesetzentwurf vor, der Homosexualität mit lebenslanger Haft bestraft. Die Forderung nach einem offeneren Umgang mit Sexualpraktiken infolge der Ausbreitung von HIV/Aids hingegen ist inzwischen akzeptierter Bestandteil der politischen Diskussion. Daraus ergibt sich allmählich auch ein veränderter Blick auf Homosexualität.

Malawis Präsidentenberaterin für Aids, Mary Shaba, sagte kürzlich, der Kampf gegen Aids könne nur dann Erfolg haben, wenn man die Existenz vom Homosexualität anerkenne. Nach UN-Angaben sind knapp eine Million der 15 Millionen Malawier HIV-infiziert. Es gibt über eine halbe Million Aidswaisen, und im Jahr 2008 starben rund 68.000 Malawier an Aids.

Malawis rigorose Strafgesetze stammen aus der britischen Kolonialzeit, die in dem Land von strenger christlicher Missionierung geprägt war. Malawis demokratische Verfassung aus dem Jahr 1995 schließt aber jede Art von Diskriminierung aus. Die Zeitung Nyasa Times schrieb: „Die Verweigerung von Kaution für das schwule Paar ist eine Perversion der Justiz, wenn Menschen, die des bewaffneten Raubüberfalls oder des Landesverrats angeklagt sind, meistens Kaution bekommen.“

Alle Beteiligten erklären den Vorfall indes für ein Missverständnis. Pfarrer Ami Nsewa, der die Verlobung durchführte, hielt den mit Lippenstift und Kleid aufgetretenen Tiwonge Chimbalanga für eine Frau; Chimbalanga selbst sagt auch, er sei weiblich; und Monjeza sagt, er war während der Feier betrunken und wolle nichts mehr wissen.

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