Doch ein „bewaffneter Konflikt“

AFGHANISTAN Bundesregierung will die Situation in Afghanistan rechtlich neu einstufen. Juristische Folgen hat dies aber nicht, weil es auf die Bewertung der Justiz ankommt

„Entscheidend ist letztlich die Einstufung durch die Gerichte“

VON CHRISTIAN RATH

Die Bundesregierung will den Afghanistan-Einsatz rechtlich neu bewerten. Das kündigte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) an. Der Einsatz werde künftig als „nichtinternationaler bewaffneter Konflikt“ eingestuft, bei dem die Bundeswehr an der Seite der afghanischen Regierung gegen afghanische Aufständische (also die Taliban) kämpfe.

Der Schritt hat vor allem politische Bedeutung. Guttenberg kann sich damit als Realist profilieren, der mit der Brunnenbaurhetorik seines Vorgängers Franz Josef Jung (CDU) Schluss macht. Rechtliche Bedeutung hat eine Neubewertung des Einsatzes durch die Bundesregierung nicht. „Entscheidend ist letztlich die Einstufung durch die Gerichte“, sagt auch Klaus Lübke, Vertragsanwalt des Bundeswehrverbands.

Ob ein bewaffneter Konflikt vorliegt, spielt zum Beispiel im Strafrecht eine Rolle. Derzeit prüft die Bundesanwaltschaft, ob gegen Oberst Klein wegen Kriegsverbrechen ermittelt werden muss. Klein hatte die Bombardierung von zwei bei Kundus entführten Tanklastern befohlen, wobei wohl auch viele Zivilisten starben.

Für Klein wäre es günstig, wenn in Afghanistan ein bewaffneter Konflikt angenommen würde. Dann würde sein Verhalten nicht am normalen deutschen Strafrechts gemessen, sondern am deutschen Völkerstrafgesetzbuch. Strafbar wäre die Tötung von Zivilisten dann nur, wenn dies außer Verhältnis zum militärischen Nutzen der Aktion stand und Klein dies sicher erwartete.

Die Bundesanwaltschaft (BAW) konnte gestern nicht sagen, wann ihre bereits zwei Monate dauernde Vorprüfung abgeschlossen sein wird. Doch eines ist klar: Die Einstufung des Afghanistan-Einsatzes ist Sache der Justiz. „Auffassungen und Meinungen anderer staatlicher Hoheitsträger und Ministerien haben dabei keine Rolle zu spielen“, erklärte gestern ein BAW-Sprecher auf Nachfrage der taz.

Auch die Befugnisse der Soldaten in Afghanistan würden bei einer Neueinstufung des Einsatzes durch die Regierung nicht ausgeweitet. Bereits im Juli wurde die Taschenkarte geändert, die den Soldaten ihre Befugnisse erläutert. Seitdem wissen die Soldaten, dass sie auch präventiv gegen Personen vorgehen können, die Angriffe vorbereiten.

Die Neueinstufung des Afghanistan-Einsatzes ist nicht einmal für Lebens- und Unfallversicherungen relevant. Dort gibt es zwar eine „Kriegsklausel“, wonach die Versicherung nicht voll zahlen muss, wenn der Schaden bei kriegerischen Ereignissen entstand. Die Versicherungen können sich auf diese Klausel aber unabhängig davon berufen, wie die Bundesregierung einen Konflikt bewertet.

Für betroffene Soldaten und ihre Angehörigen hatte die Kriegsklausel bisher ohnehin nur geringe Folgen. Zum einen zeigten sich die Versicherungen aus Imagegründen eher kulant, außerdem springt notfalls der Staat ein. Bis zum Sommer 2009 war dies nach Angaben der Bundeswehr 21-mal erforderlich.