In Malis Krieg stehen auf beiden Seiten Franzosen

MALI Die französische Armee ist in die Hochburgen von al-Qaida tief in der Saharawüste vorgerückt. Und wen findet sie dort? Dschihadisten mit französischem Pass. Der sozialistische Innenminister Manuel Valls warnt nun vor einem neuen „inneren Feind“

„Es gilt, einen Terrorismus zu bekämpfen, der in unserem Land entstanden ist“

MANUEL VALLS, INNENMINISTER

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Djamel ist Franzose und 37 Jahre alt. Geboren wurde er in Algerien; die französische Staatsbürgerschaft erwarb er durch Heirat und lebte erst bei Grenoble und dann in Savoyen. Vergangene Woche ergab er sich der französischen Armee – im Ifoghas-Bergmassiv des Adrar-Gebirges im Norden von Mali nahe der algerischen Grenze, wo französische und tschadische Truppen dabei sind, die letzten Rückzugsgebiete der Al-Qaida im Islamischen Maghreb zu erobern.

Dass tief in der Saharawüste Franzosen auf Franzosen schießen, schockiert die Öffentlichkeit. Der französische Nachrichtendienst DCRI spricht von zehn bis zwanzig französischen Staatsbürgern, die sich angeblich in Mali den Dschihadisten angeschlossen hätten.

Djamel – sein voller Name wurde den Medien nicht mitgeteilt – wurde nach seiner Gefangennahme in Mali von den französischen Soldaten zuerst ordnungshalber der malischen Gendarmerie übergeben. Die kündigte seine umgehende Ausweisung an – nach Frankreich. Vor ihm war der in Aubervilliers bei Paris geborene 25-jährige französisch-malische Doppelstaatsbürger Ibrahim Aziz O., der sich für den Dschihad rekrutieren lassen wollte, in der Nähe der malischen Stadt Mopti abgefangen und nach Frankreich zurückgeschickt worden.

Dort wird nun gegen ihn und gegen einen 21-jährigen jungen Franzosen aus Senegal, der O. zur Tarnung seinen Pass geliehen haben soll, ein Strafverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Vorbereitung terroristischer Verbrechen eingeleitet. Dieser Paragraf im Strafgesetzbuch ermöglicht es häufig der französischen Justiz, präventiv gegen Terroristen vorzugehen, bevor sie Attentatspläne in die Tat umsetzen konnten.

O. hatte seine wahre Identität verheimlicht, weil er der Polizei bereits bekannt war. 2010 war er bereits einmal in Ägypten verhaftet worden, nachdem er vergeblich versucht hatte, den Kontakt zu al-Qaida im pakistanischen Waziristan herzustellen.

Bei seiner Festnahme in Mali Anfang März gestand er freimütig, dass er mit seinem Komplizen die Rekrutierung von in Frankreich lebenden Nachwuchsdschihadisten für Mali organisieren wollte. Sie planten laut einem Bericht des Journal du Dimanche auch Aktionen in Frankreich, so angeblich die Ermordung des sehr gemäßigten Vorstehers der Pariser Moschee, Dalil Boubakeur.

Die Gruppe um O. scheint keineswegs die einzige zu sein, die Aqmi oder anderen Al-Qaida-Ablegern in Somalia, Jemen oder Afghanistan mit französischen „Märtyrern“ versorgen will. Ein anderes Netz war, ebenfalls in der Pariser „Banlieue“ in Hay-les-Roses, aufgeflogen, nachdem der 27-jährige Cédric Lobo Ngoyi B. an der Grenze von Niger auf der Fahrt in Richtung Mali festgenommen worden war. Vier Islamisten von Hay-les-Roses stehen nun im Verdacht, terroristische Aktionen in Frankreich vorbereitet zu haben. Drei kürzlich verhaftete Mitglieder einer Terrorzelle in Marignane bei Marseille werden aufgrund des bei ihnen gefundenen Arsenals an Waffen und Sprengstoff ebenfalls beschuldigt, Attentate in Frankreich geplant zu haben.

Sicher ist, dass Frankreich noch lange, und auch nach dem abzusehenden Ende der Intervention in Mali, mit neuen einheimischen Dschihadisten konfrontiert sein wird. Laut Innenminister Manuel Valls gibt es davon „eine Handvoll in Mali“, aber auch „Dutzende in Syrien“ – und vermutlich ebenso viele, wenn nicht mehr, in Frankreich selber, wo sie ihm zufolge als „innerer Feind“ zu betrachten sind. Valls spricht von Frankreichs Eigenverantwortung: „Es gilt, diese Bedrohung in Mali zu bekämpfen, aber auch einen Terrorismus, der in unserem Land entstanden ist.“

Ein Beispiel dieses hausgemachten islamistischen Terrorismus war genau vor einem Jahr Mohamed Merah, der in seinem terroristischen Amoklauf in Toulouse, den er als Beitrag zum Dschihad verstanden haben wollte, sieben Menschen, darunter drei kleine jüdische Kinder, getötet hatte. Valls versichert, dass die französischen Behörden aus den von ihm angeprangerten gravierenden Mängeln bei der Überwachung von Merah Lehren gezogen hätten. Der Kampf gegen diesen Terrorismus aus den Vorstädten könne nicht allein eine Sache der Polizei sein, sondern gehe die ganze Gesellschaft ab, mahnt Valls.

Der Innenminister möchte sich dabei aber auch von der Hetze der extremen Rechten abgrenzen. Für diese steht längst fest, dass die Nation durch eine „fünfte Kolonne“ von Islamisten mit französischem Pass bedroht sei. Deshalb fordert der Front National von Marine Le Pen die Abschaffung der Doppelstaatsbürgerschaft und die Aberkennung der französischen Nationalität für wegen Terrorismus verurteilte Eingebürgerte.