Nachbarn schauen zu

BERLIN /BAGDAD afp/ap/rtr/taz ■ Das Schicksal der im Irak entführten Susanne Osthoff ist nach Angaben der Bundesregierung weiterhin ungewiss. Der Krisenstab im Auswärtigen Amt und die Behörden seien „rund um die Uhr“ im Einsatz, um ein „Lebenszeichen“ von der Archäologin zu erhalten, sagte ein Außenamtssprecher gestern in Berlin. Die Verantwortlichen nutzten alle relevanten Stellen und Kanäle. Einzelheiten wollte der Sprecher zum Schutz der Betroffenen nicht nennen. Es sei zu befürchten, dass derartige Informationen die laufenden Bemühungen gefährden würden. Osthoff war am vergangenen Freitag gemeinsam mit ihrem Fahrer verschleppt worden.

Die Mutter der Entführten, Ingrid Hala, appellierte erneut an die Geiselnehmer, ihre Gefangene freizulassen. „Meine Tochter ist mehr Irakerin als Deutsche. Reden Sie mit ihr. Lernen Sie Susanne kennen. Dann können Sie sich schnell davon überzeugen, dass sie im Irak nur eins wollte: den Menschen dort helfen“, erklärte Hala in der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Ich bitte Sie, seien Sie gnädig zu ihr und sagen Sie Susanne, dass wir mit unseren Herzen bei ihr sind und sie lieben.“

Hala forderte zugleich die Entführer auf, Kontakt mit den irakischen oder deutschen Behörden aufzunehmen. Der Zeitung zufolge will das irakische Präsidialamt den Appell ins Arabische und Kurdische übersetzen und in allen irakischen Medien veröffentlichen. Die Mutter dankte im Namen der Familie für die große Anteilnahme der irakischen und deutschen Bevölkerung und Regierungen am Schicksal der Archäologin.

Auch Angehörigen der am 26. November verschleppten Mitarbeiter der Gruppe Christian Peacemaker Teams wandten sich an die Geiselnehmer mit der Bitte um die Freilassung der Gefangenen. Bei den Friedensaktivisten handelt es sich um den Briten Norman Kember, den US-Bürger Tom Fox und die beiden Kanadier James Loney und Harmeet Singh Sooden. In Kanada unterstützten auch drei aufgrund der Anti-Terror-Gesetze inhaftierte Muslime einen entsprechenden öffentlichen Appell.

Im Irak wurde gestern ein weiterer Ausländer entführt. Der französiche Ingenieur Bernard Planche wurde Augenzeugen zufolge am Morgen vor seinem Haus verschleppt, als er zu seiner Arbeitsstelle in einer Kläranlage im Osten Bagdads fahren wollte. Sieben Bewaffnete seien in zwei Fahrzeugen vorgefahren und hätten ihn mitgenommen, sagte die Polizei unter Berufung auf die Zeugen. Vor dem Haus waren Blutspuren auf der Straße zu sehen. Der Mann habe laut geschrien und sei von den Bewaffneten geschlagen worden, als sie ihn mit sich nahmen, sagte ein Augenzeuge. „Die ganze Nachbarschaft hat zugesehen und keiner hat etwas unternommen, um ihm zu helfen. Der Franzose hatte die Hände erhoben und schrie.“

Der französische Regierungschef Dominique de Villepin erklärte, seine Regierung mobilisiere alle Kräfte und Kontakte in den Irak, um so schnell wie möglich eine Freilassung des Ingenieurs zu erreichen. Er arbeite für die regierungsunabhängige Organisation Aaccess in Bagdad. Der Mann sei von der französischen Botschaft in Bagdad über die Gefährdung seiner Sicherheit informiert worden.

Auch Susanne Osthoff war für Hilfsgruppen im Irak unterwegs, als sie am 25. November im Nordwesten des Landes verschleppt wurde. Wie Deutschland gehörte auch Frankreich zu den Gegnern des von den USA und Großbritannien angeführten Irakkrieges. B.S.