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: HELMUT HÖGE über Immobilienkunst

„Nach Berlin zogen immer nur solche Leute, die im Malen eine Eins und im Rechnen eine Fünf hatten.“ (T. Kapielski)

Die Westberliner Immobilienhaie verstanden sich als Kunstliebhaber, wenn auch nicht gerade bei ihren Bauprojekten. Sie machten und sammelten Kunst und organisierten sich im Verein der Freunde der Nationalgalerie. Als nach der Wende die Mieten „explodierten“, wandten sich die Künstler jedoch an den Kultursenat: Er möge sie vor einer Verteuerung ihrer Ateliermieten bewahren. Dort winkte man nur müde ab: Sie müssten sich damit abfinden, an den Stadtrand zu ziehen – das sei leider in allen Metropolen so.

Aber weit gefehlt: Inzwischen werden den Künstlern Räume in alten Fabrikgebäuden geradezu aufgedrängt, und fast täglich wird in einem der zu tausenden leer stehenden neuen Läden eine Kunstgalerie eröffnet – mietfrei und in den besten „City-Lagen“.

Auch die Bundesregierung scheint über diesen grotesken Kunstboom beunruhigt zu sein. In den Koalitionsvereinbarungen wurde festgelegt, dass man die Verluste bei Investitionen in Fonds für Windkraftanlagen, Schiffsbeteiligungen und Medien nicht mehr direkt abschreiben kann, wohl aber solche aus Immobilienfonds im Ausland. Dies ist eine vorbereitende Maßnahme – eine andere, dass an der Börse bereits die deutschen Immobilien-Aktien mit Käufen nach oben getrieben werden, „obwohl von einem Immobilienboom keine Rede sein kann“, schreibt die Welt.

Hintergrund dafür sind „die transparenten und steuerlich begünstigten Immobilien-AGs nach amerikanischem Vorbild“: die Real Estate Investment Trusts (REIT), die 2006 auch in Deutschland eingeführt werden und „dem gesamten Grund- und Bodensektor eine Wiederentdeckung bescheren“.

Die US-Übernehmer der Wohnungsbaugenossenschaft GSW sind dabei Pioniere. In den Ländern, wo die REIT bereits durchgesetzt wurden, haben sie zu „liquideren Immobilienmärkten geführt, was sich auch in der außerordentlich hohen Performance dieser Gesellschaften spiegelt“, erklärte dazu die NZZ. Die Koalitionsvereinbarung über Immobilienanlagen im Ausland ist Voraussetzung für die REIT-Einführung in der BRD.

In Berlin hatte man zuvor versucht, wenigstens aus der Kunst ein Geschäft zu machen. Das geschah einst in der Paris-Bar, von wo aus „die Westberliner Kunst an den Weltkunstmarkt angeschlossen“ wurde, wie der Maler Lüpertz prahlte. Die Bar hat jetzt Insolvenz angemeldet!

Die dort zuletzt ausbaldowerte Idee bestand darin, den Weltkunstmarkt an Berlin anzuschließen – unter anderen dadurch, dass man die „Freie Berliner Kunstausstellung“ unterm Funkturm, wo jeder ausstellen konnte, in ein von Edelgalerien aus aller Welt bestücktes „Art Forum“ umwandelte.

Daneben gibt es allerdings auch noch – kiezverkleinert – eine juryfreie Kunstausstellung: den „Querschnitt“ im Künstlerhaus Bethanien, dessen Privatisierung gerade gestoppt wurde. Schon die Quantität dieser „Leistungsschau“ zeigt, dass fast jeder Kreuzberger ein Künstler ist. Ob das nach den Fischzügen der REIT auch noch gilt, bleibt abzuwarten. Marktkenner und Beobachter der GSW-Privatisierung (taz vom 1. Dezember) unken bereits: Gegenüber den REIT seien die übel beleumdeten Westberliner Immobilienhaie wahre Menschenfreunde gewesen.