Begabtenförderung in der Kritik: Elite unter sich
Nur 27 Prozent der Stipendiaten der Begabtenförderwerke sind Bildungsaufsteiger. Beim Deutschlandstipendium sieht's besser aus.
BERLIN taz | Vor allem Studierende aus Akademikerfamilien bekommen ein Stipendium eines der zwölf Begabtenförderwerke. Das zeigen detaillierte Auswertungen der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes, die das Hochschulforschungsinstitut HIS für die taz berechnete.
Demnach kommen 73 Prozent der Stipendiaten der Begabtenförderungswerke aus einer Familie, in der Vater oder Mutter studiert haben. Nur 27 Prozent der Geförderten entstammen nicht-akademischen Elternhäusern. Von allen Menschen, die derzeit an einer Hochschule in Deutschland studieren, kommt dagegen die Hälfte aus nichtakademischen Familien.
Im Jahr 2009 hatten HIS-Forscher die Förderwerke bereits mit einer Studie erschreckt, die ein extrem geringes Maß an Chancengleichheit feststellte. 67 Prozent der geförderten Studierenden, so das Ergebnis damals, kamen aus Akademikerfamilien.
Ob sich die Schieflage nun vergrößert hat, ist nicht klar zu sagen. Für die Studie von vor vier Jahren hatten die Forscher sämtliche Stipendiaten befragt, diesmal eine Stichprobe zufällig ausgewählter Studierender. Die Daten sind damit nicht direkt vergleichbar.
Interessant ist aber: Zumindest scheint sich die Lage nicht verbessert zu haben – und das, obwohl nach der ersten HIS-Studie viele Förderwerke versprachen, sich stärker um Bildungsaufsteiger zu bemühen.
44 Prozent der Deutschlandstipendiaten sind Aufsteiger
Ab September verdoppelt nun die Regierung das Büchergeld für Stipendiaten der Begabtenförderwerke auf 300 Euro. Einige der Begünstigten kritisieren dieses, da von Stipendien überdurchschnittlich häufig Studierende aus privilegierten Familien profitieren.
Während die traditionellen Förderwerke sozial hochselektiv sind, scheint dies für das Deutschlandstipendium nicht in dem Maße zu gelten. Bei diesem 2011 gestarteten Programm vergeben Hochschulen gemeinsam mit privaten Förderern Stipendien an Studenten, die sie für begabt halten. Immerhin 44 Prozent der Deutschlandstipendiaten kommen der neuen HIS-Auswertung zufolge aus Nicht-Akademiker-Familien. Warum, wissen die Forscher nicht.
Eine mögliche Erklärung könnte aber lauten: Deutschlandstipendien werden oft in wirtschaftsnahen Fächern und an Fachhochschulen vergeben. Dort sind auch mehr Bildungsaufsteiger anzutreffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden