Abbruch unvermeidlich?: Denkmalschutz nach Kassenlage

Jahrelang ließ die SAGA-GWG einen historischen Gebäudekomplex im Karoviertel tatenlos verrotten – nun scheint auch die Fassade nicht mehr gerettet werden zu können.

Zeuge der Vergangenheit: die eingerüstete Fassade der Häuser Turnerstraße 10-16 Ulrike Schmidt : Ulrike Schmidt

taz | Achtung Einsturzgefahr“ – die Botschaft auf den handgeschriebenen Plakaten, die seit Anfang der Woche an dem Bauzaun hängen ist eindeutig. Sie bezieht sich auf die Ruine hinter dem Zaun, das sogenannte Sahlhaus-Ensemble in der Turnerstraße 10–16, mitten im Karoviertel. Neben den Warnschildern hängt noch ein kleineres Plakat aus besseren Zeiten. „Wieso hat das Haus kein Dach?“, lautet die erste Frage und die zweite ergänzt: „Sieht so Sanierung aus?“

Die zweite Frage lässt sich klar mit Nein beantworten. Hier in der Turnerstraße geht es mittlerweile nicht mehr um Sanierung, sondern nur noch um Abriss. Die Tage des zwischen 1860 und 1870 erstellten Gebäudekomplexes sind gezählt. Die Saga ließ das historische Gebäude, das bis vor Kurzem unter Denkmalschutz gestanden hat, in den vergangenen Jahren tatenlos verrotten.

Noch 1985 wurde der Zustand des in die Jahre gekommene Gebäude im Zuge einer Instandsetzung als für so gut befunden, dass es als „nicht sanierungsbedürftig“ eingestuft wurde. Die daraus resultierende Untätigkeit führte dazu, dass das Gebäude, das 2006 unter Denkmalschutz gestellt wurde, verfiel. 2010 wurde Schwammbefall entdeckt, kurz darauf attestierten Gutachter statische Mängel und eine marode Bausubstanz.

Trotz dieser Probleme verkündete die SAGA-GWG-Geschäftsstellenleiterin Karin Authenrieth noch 2012 im Sanierungsbeirat, dass zumindest die historische Fassade erhalten werden könne. „Eine komplette Neubauplanung“, sagte Authenried damals, „steht nicht zur Debatte.“ Mehrere Mitglieder des Beirats merkten damals laut Protokoll an, dass die SAGA-GWG „keine ausreichende Erfahrung mit der Sanierung im Bestand hat“.

Die Sahlhäuser sind mehrgeschossige Wohnhäuser aus dem 19. Jahrhundert, deren obere Stockwerke - Sähle genannt - durch eine eigene Treppe erreichbar sind. Auffälliges Element ist die dadurch entstehende Dreitürengruppe, bei der hinter der mittleren Tür die Sahltreppe liegt und unmittelbar rechts und links davon die Türen für die separaten Erdgeschosswohnungen.

Akut einsturzgefährdet sind die Sahlhäuser in der Turnerstraße laut Saga-GWG. Trotzdem sind sie nur durch einen schmalen Bauzaun gesichert - drei Meter vor der Fassade stehen Autos.

827 Wohnungen im Karoviertel übernahm die Saga-GWG nach entsprechenden Beschlüssen von Senat und Bürgerschaft in diesem Jahr vom Sanierungsträger Steg. Die Bewohner befürchten nun kräftige Mieterhöhungen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die städtische Wohnungsgesellschaft bereits 2,4 Millionen für die Rettung des Gebäudes verpulvert, gleichzeitig aber das Dach des Hauses entfernen lassen, „um den Bauablauf zu beschleunigen“. Auf einen Witterungsschutz für das abgedeckte Gebäude wurde großzügig verzichtet.

Vergangene Woche nun gab Authenrieth zu, dass jetzt doch gar nichts mehr zu retten sei. Auch die Fassade müsse weg und das Denkmalschutzamt habe schon zugestimmt, weil eine Sanierung unverhältnismäßig teuer wäre.

„Es ist ein katastrophales Signal, wenn die SAGA-GWG, die gerade erst 900 Wohnungen im Karoviertel übernommen hat, als eine der ersten Maßnahmen den Abriss eines bislang denkmalgeschützten Gebäudes durchsetzt“, empört sich der Landesvorsitzende der Linken, Bela Rogalla, über den „Denkmalschutz nach Kassenlage“.

„Der Neubau wird die zuvor mit den Mietern abgestimmten Grundrisse ebenso berücksichtigen wie eine öffentlich-geförderte Miete und es gilt auch das Rückkehrrecht für diese Mieter“, verspricht SAGA-GWG-Sprecher Michael Ahrens. An die Stelle des historischen soll nun ein historisierendes Gebäude treten: „In Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt werden wir Fenster, Türen und Treppenhäuser in ihrer historischen Struktur wieder herstellen“, sagt Ahrens.

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