„Man darf nicht alles in Geheimgremien schieben“

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele droht mit einem Untersuchungsausschuss, falls die Bundesregierung nicht veröffentlicht, was sie über die Al-Masri-Entführung weiß

taz: Herr Ströbele, die Kanzlerin will, dass Außenminister Steinmeier der Geheimdienst-Kontrollkommission des Bundestags über den Fall des entführten Khaled al-Masri berichtet. Ist das der richtige Ort?

Hans-Christian Ströbele: Die Unterrichtung der Kommission ist immer richtig. Aber sie kann die Unterrichtung der Öffentlichkeit in einem solchen Fall nicht ersetzen.

Weil Sie und die anderen Kommissionsmitglieder zum Schweigen verdonnert sind?

Genau. Manchmal ist das unumgänglich. Aber bei der Aufklärung dieser Flüge, Gefangenentransporte und möglicherweise auch Folterpraktiken muss man nicht geheim tagen.

Merkel kann sagen, dass das Gremium zuständig ist.

Für die Kontrolle ausländischer Geheimdienste, also die CIA, stimmt das nicht mal. So kann es nicht laufen. Die Grünen-Fraktion hat letzte Woche und diese Woche zwei parlamentarische Anfragen an die Bundesregierung gestellt, in denen wir auch nach dem Fall Masri gefragt haben. Die müssen öffentlich beantwortet werden. Das Kontrollgremium kann dazu gut sein, zu prüfen, ob die öffentlichen Antworten stimmen. Man darf nicht alles in Geheimgremien schieben, sonst besteht der Verdacht, es soll verheimlicht werden.

Können Sie die Bundesregierung zwingen, öffentlich zu antworten?

Das Kontrollgremium hat leider keine Sanktionsmittel. Es kann allenfalls den Bundestag informieren und die Regierung zu bestimmten Maßnahmen auffordern. Mehr nicht.

Wäre ein Untersuchungsausschuss geeigneter?

Wenn die Regierung sich weigert, die Fakten öffentlich zu machen, käme ein Untersuchungsausschuss in Betracht.

Ist Steinmeier der richtige Mann, um aufzuklären. Was ist mit Schily?

Ich gehe davon aus, dass Herr Steinmeier als ehemaliger Kanzleramtschef wusste, was einzelne Minister wussten. Wenn nicht, dann müssen wir auch andere Personen zur Berichterstattung bitten.

Können Sie in der Kontrollkommission Schily vorladen?

Nein. Das Gremium kann nur die Bundesregierung auffordern, Bericht zu erstatten.

Wann kann das Gremium Steinmeier hören?

Das ist ein Problem. Das Gremium besteht aus neun Mitgliedern. Von den jetzigen Mitgliedern gehören sechs gar nicht mehr dem neuen Bundestag an. Das neue Gremium soll nächste Woche gewählt werden. Ob sich die neue oder die alte Kommission mit dem Thema beschäftigt, steht noch in den Sternen.

Ein ungünstiger Zeitpunkt.

Vielleicht will Frau Merkel gerade deshalb auf das Gremium vertrösten. Wenn das alte Gremium informiert wird, ginge es vielleicht schneller. Aber es könnte die Sache nicht weiterverfolgen.

Glauben Sie, die Staatsanwälte sind neidisch auf Sie, weil Sie bald mehr wissen über den Fall al-Masri?

Das mag schon sein. Die Staatsanwälte müssen sich sowieso an der Nase herumgeführt fühlen. Die stochern im Nebel und gleichzeitig soll mindestens ein Mitglied der Bundesregierung alles gewusst haben, was sie so gerne erfahren hätten.

Hätte Schily den Staatsanwälten helfen müssen?

Wenn er informiert worden ist, wäre er verpflichtet gewesen, den Bundesbürger al-Masri bei der Wahrnehmung seiner Rechte zu unterstützen. Der Mann wurde ja mit seiner Geschichte angezweifelt. Und ihn da alleine zu lassen, ist ein starkes Stück.

Hat er seine Pflicht verletzt?

Er wäre schon durch seinen Amtseid verpflichtet gewesen. Er soll dem Wohle des deutschen Volkes dienen. Zum deutschen Volk gehört auch Herr Masri.

INTERVIEW: GEORG LÖWISCH