„Manche Mädels brachten drei bis vier Reisekoffer mit“

ENTRÜMPELN Sophie S. verdient mit gebrauchten Kleidern Geld. Das Besondere: Ihr Secondhand-Laden befindet sich im Netz. Die Nachfrage hat sie selbst verblüfft

■ 25 Jahre alt und Mitbegründerin der Online-Plattform kleiderkreisel.de. Sie hat Statistik studiert und wohnt in München.

Während einer Reise durch Litauen haben Sophie S. und Susanne Richter das Prinzip der Tauschplattform für Kleidung entdeckt. 2009 geht ihre Tauschbörse „Kleiderkreisel“ online. Nach eigenen Angaben stehen derzeit drei Millionen Artikel im Katalog des Portals. Auch andere haben den Trend erkannt. Die Internetseiten „Kleiderkorb“ und „Mädchenflohmarkt“ sind ihre Konkurrenten.

taz: Drei Millionen Artikel sind eine ganze Menge. Haben eure Kunden tatsächlich so viele Klamotten?

Sophie S.: Mir war vorher auch nicht so bewusst, wie viel Zeug man da anhäuft. Der eine Teil davon lag bei mir ewig im Keller herum, den anderen Teil habe ich zu meinen Eltern gebracht. Auch da haben sich Berge angehäuft. Im letzten Jahr organisierten wir auch Tauschpartys. Bei denen sind die Leute dann offline zusammengekommen. Das war echt der Wahnsinn, was da zusammenkam. Manche Mädels brachten drei bis vier Reisekoffer mit. Das sah aus, als wollten sie eine Weltreise machen. An einigen Kleidern hing sogar noch das Preisschild. Das ist so krass.

Wie kommt es überhaupt dazu, dass wir unsere Schränke entrümpeln müssen?

Die Sachen sind heute unglaublich günstig. Viele denken aber nicht darüber nach, was sie mit den Kleidungsstücken im Schrank dann anfangen sollen.

Wie sieht es denn in deinem Kleiderschrank aus?

Mittlerweile sind da nur noch Kleiderkreisel-Sachen drin. Aber ich muss zugeben, dass sich bei mir auch ziemlich viel Zeug angesammelt hat, sodass ich bei einigen Sachen schon denke: „Das stelle ich wieder rein.“ Und die Dinge, die ich jetzt eine Zeit lang getragen habe, sind ja immer noch gut und die kann jetzt auch jemand Drittes, Viertes oder Fünftes noch weiter tragen. Das ist ja kein Problem.

Wie muss man sich einen typischen Nutzer von Kleiderkreisel vorstellen?

Viele sind sehr jung und haben nicht so viel Geld. Die sind zwischen 14 und 23 Jahre alt und machen das echt gerne. Sie geben sich auch viel Mühe bei der Beschreibung der Klamotten, bei der Verpackung und beim Versenden. Bei manchen scheint das schon ein richtiges Hobby geworden zu sein. Und das Konsumverhalten verändert sich? Viele unserer Mitglieder haben schon verstanden, dass es effektiver ist, ungebrauchte Kleidungsstücke einzusetzen, anstatt sie rumliegen zu lassen.

Warum machen so viele Leute bei der Plattform mit?

Für einige ist es praktisch, weil sie beispielsweise nicht den Flohmarkt am Berliner Mauerpark um die Ecke haben. Dank des Internets aber besteht nun die Möglichkeit, an solche besonderen Sachen zu kommen. Sie finden es toll, dass die gebraucht sind, dass sie also nicht immer wieder etwas Neues kaufen. Das vermittelt dann auch ein gutes Gewissen, wenn sie sich etwas leisten wollen. Und später können sie die Sachen wieder zurück in den Kreislauf geben.

Welches Ziel wollt ihr mit eurem Projekt erreichen?

Wir wollen auf der ganzen Welt Secondhand zur ersten Wahl machen.

INTERVIEW: SUSANNE FALLER
MARINA HILZINGER