ZDF-Thriller mit Matthias Brandt: Manchmal wie Robert Mitchum
In seinen besten Momenten ein packender Film über sexuelle Gewalt, dann wieder so langweilig wie sein Titel: „Eine verhängnisvolle Nacht“.
Es gibt verschiedene Gründe, warum eine Nacht sich später als Verhängnis erweisen kann. Gefühlt hat etwa jeder fünfte Fernsehfilm der Öffentlich-Rechtlichen diesen nichtssagenden Titel: „Eine verhängnisvolle Nacht“ – das kann ein Thriller sein, ein Melodram oder auch eine Beziehungskomödie.
Und vielleicht war genau das die Befürchtung von Regisseur und Co-Autor (und Kameramann) Miguel Alexandre: dass der Zuschauer die ersten Filmminuten sieht und nicht weiß, mit was für einer Sorte Film er es hier zu tun hat. Und, ungeduldig wie er heutzutage eben ist, gleich wegzappt.
Zwei einsame Herzen finden zueinander, die alleinerziehend-bodenständige Hannah und der linkisch-charmante Bernd. Doch Bernd wurde als kleines Kind misshandelt, eine großflächige Narbe auf seinem Rücken zeugt davon. Deshalb ist er als Erwachsener ein pathologischer Choleriker.
Bernd schlägt Hannah. Es tut ihm furchtbar leid, er will sich ihr erklären: „Es ist ganz so, als ob plötzlich irgendwas in dir ausrastet. Du erschreckst dich, erschreckst dich total, aber –. Ich weiß auch nich’, woher das kommt. Dann gehst du natürlich auf Abstand. Gar nicht bewusst, aber du machst es halt. Letztlich macht das einsam.“
Es hätte ein Film werden können, der davon handelt, wie Bernd mit sich ringt. Das wäre eine schöne schauspielerische Herausforderung für Matthias Brandt gewesen, der die Nuancen des Abgründigen gut spielen kann. Selbst in einer Rolle, die so identifikatorisch ist wie die eines „Polizeiruf“-Kommissars – gerade im Juli in einer brillanten Folge von Jan Bonny, in zwei Wochen wieder in einer auch ziemlich guten von Leander Haußmann und Daniel Nocke.
Es ist aber ein Film geworden, in dem Brandt, nach dieser versuchten Öffnung, plötzlich nur noch als groteskes Psychomonster zu erleben ist, verschlagen und brutal. In seinen besten Momenten: Robert Mitchum in //www.youtube.com/watch?v=73lZPln-A2I:„Cape Fear“. Abgründig, ohne Nuancen.
Einen ersten Hinweis haben dem Zuschauer da bereits die Bilder gegeben, die an den Anfang des Films zu stellen Miguel Alexandre wohl erst im Schneideraum entschieden hat. Ein Köder, damit man gleich weiß, wohin die Reise geht. An einem einsamen Strand am Meer stürzt sich da, mit blutverschmiertem Gesicht, ein in seiner Motorik irgendwie an Boris Karloff erinnernder Bernd/Brandt auf eine in Todesangst versetzte Hannah. Die Bilder sind ein Vorgriff auf die letzten Filmminuten, der Zuschauer sieht sie dann ein zweites Mal.
Staat schützt Verbecher
Was bisher geschah: Bernd vergewaltigt Hannah. Bernd wird verurteilt. Bernd wird aus der Haft entlassen. Bernd meint, Hannah habe sein Leben zerstört. Bernd stalkt Hannah. Er bedroht sie, will sie töten. Er ist rasend, aber clever.
Aussage steht gegen Aussage, Hannah hat keine Beweise. Ein Dialog zwischen ihr und ihrem Anwalt: Hannah: „Das heißt, der Staat schützt die Verbrecher, nicht die Opfer.“ Anwalt: „Ja, das ist absurd. Umkehr der Beweislast.“
Das sind Konstellationen, die spannenden Filmstoff abgeben könnten. Brandt und Silke Bodenbender, die die Hannah spielt, als potenzieller Vergewaltiger/Stalker und potenzielles Vergewaltigungs-/Stalkingopfer, wem soll man glauben?
„Eine verhängnisvolle Nacht“: Montag, 20.15 Uhr, ZDF.
In dem Film, den Miguel Alexandre gedreht hat, weiß der Zuschauer von Anfang an, dass Hannah das Opfer ist. Bodenbender trägt für eine Frau, die um ihr Leben und um ihre Kinder fürchten muss, angemessen dick auf. Es liegt nicht an den Schauspielern, dass der Film, in dem es doch ums Ganze geht, nicht berührt.
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