IN JAMAIKA IST DIE AUFHELLUNG DER HAUT VOLL IM TREND
: Erbleichen mit allen Mitteln

Nebensachen aus Santo Domingo

VON HANS-ULRICH DILLMANN

Schon der Prophet Jeremias quälte sich mit dem Thema. „Kann der Äthiopier seine Hautfarbe verändern“, fragte er, „oder ein Leopard seine Flecken?“ Jahrhunderte später gibt Karlene Gaylea wenigstens für sich selbst eine Antwort. Das Gesicht der jamaikanischen Mutter hat inzwischen einen milchkaffeefarbenen Teint. Auch Hals und Arme sind heller als der restliche Körper, an den Ellbogen ist allerdings noch die ursprüngliche Farbe erkennbar: ein tiefes, fast schwarzes Braun.

In Jamaika ist „skin bleaching“, also das Bleichen der Haut, derzeit schwer in Mode. Die 40 Jahre alte Verkäuferin Gaylea berichtet in der Sonntagsausgabe der jamaikanischen Tageszeitung The Gleaner, sie könne sich schon nicht mehr erinnern, seit wann sie ihre Haut bleiche, so lange praktiziere sie das schon. Auch ihrem 15-jährigen Sohn helle sie die Haut chemisch auf – erfolgreich, wie sie glaubt. „Er war ein bisschen zu dunkel. Aber jetzt mögen ihn die Schulmädchen,“ schwärmt sie. Schwarze Haut gilt in Jamaika als hässlich.

Dem weiblichen Star am Dancehallhimmel Lisa Hype sind die „Erfolge“ ins Gesicht geschrieben, ihren sehr dunklen Hautpigmenten mit allerlei chemischen Substanzen zu Leibe zu rücken: „Schau, wie mein Gesicht schön ist“, singt sie und gibt den Musikliebhabern gleich Ratschläge, wie sie sich „aufweißen“ können.

Ob Reich oder Arm, derzeit ist in Jamaika wieder in, was über Jahrzehnte als Überbleibsel kolonialer Tradition und in den Revolten der 60er Jahren in der Karibik als überwunden galt. „Schwarze Haut, weiße Masken“, betitelte der aus Martinique stammende Psychiater Frantz Fanon sein Buch über die psychologischen Folgen der Kolonialherrschaft für die Unterdrückten. Weiß war das Ideal.

Musiker Vybz Kartel gilt als der Ideologe des „Hautaufhellens“. Es habe nichts mit Kolonialtradition zu tun, betonte Kartel auf der letzten Jamaican Fashion Week. Das Bleichen sei heute Mode. Dermatologen warnen vergeblich vor Spätschäden. Auch das jamaikanische Gesundheitsministerium konnte mit seinem Slogan „Töte nicht deine Haut“ dem Modetrend keinen Einhalt gebieten. Noch immer boomt der illegale Handel mit Pasten und Chemikalien in Apotheken und Friseurgeschäften.

Dancehallmusikerin Lisa Hype, Karlene Gaylea und ihre Freundinnen und Nachbarinnen behandeln ihre „schwarze Haut“ mit allerlei Mittelchen, um die Melaninbildung zu unterdrücken. Haarfärbemittel werden eingesetzt und Süßwurzelextrakt. Aber auch Quecksilber, Phenol, Kortison, Bleiweiß, Zinkoxid, Zahnpasta, WC-Reiniger und sogar Chlor.

Das Ganze wird zu Pasten verrührt und mehrmals am Tag aufgetragen. Die 25 Jahre alte Keisha Rolloch verriet dem Gleaner ihr Rezept. Nach dem Einreiben legt sie sich mit mehreren Socken und mehreren Lagen Kleidung ins Bett. „Durch die Wärme wirkt es schneller, und wenn du Curry beigemischt hast, sieht es wie echte hübsche Bräunung aus.“