Der Griff ins Eingemachte

EURORETTUNG Das Steuerparadies Zypern ist vorerst vor der Pleite gerettet. Doch die geplante Teilenteignung aller Sparer könnte sich als Bumerang für ganz Europa erweisen

Die Zwangsabgabe könnte zu einer massiven Kapitalflucht aus Südeuropa und zu einem „Run“ auf die Banken in Spanien oder Italien führen, fürchten EU-Experten

AUS BRÜSSEL ERIC BONSE

In der seit drei Jahren schwelenden Eurokrise ist ein neues Tabu gefallen. Nach dem Willen der Eurogruppe sollen sich in Zypern erstmals auch die Bankkunden an der „Rettung“ ihres Landes und der Banken beteiligen. Was Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) als gerechte „Stabilitätsabgabe“ verkaufen will, könnte sich als gefährlicher Bumerang erweisen – für ganz Europa.

Die Entscheidung fiel um kurz nach 3 Uhr morgens in der Nacht zu Samstag. Die Euroretter verkündeten, dass sie sich auf ein Hilfspaket für Zypern verständigt hatten. Wer sich mit wem geeinigt hat, welche Alternativen auf dem Tisch gelegen haben und wer sich durchgesetzt hat, blieb wie üblich im Dunkeln.

Fest steht, dass das nun 10 statt ursprünglich 17 Milliarden Euro schwere Hilfspaket die deutsche Handschrift trägt. Schon im Januar hatte Schäuble angedeutet, dass er zyprische Bankkunden zur Kasse bitten werde. Damit wollte er der populären Forderung der SPD entgegenkommen, das Steuerparadies Zypern auszuhebeln. Diesmal, so hieß es, sollten reiche russische Oligarchen, die ihr Geld auf dubiosen Konten bunkern, bluten.

Zwar gibt es bislang keine Beweise für russische Schwarzgeldkonten, wie Schäubles Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter letzte Woche einräumte. Auch der Vorwurf, Zypern verletze internationale Standards bei der Geldwäsche, ließ sich nicht erhärten. Das hielt Schäuble jedoch nicht davon ab, alle anderen Lösungen brüsk abzulehnen.

Nun werden Klein- und Großanleger gleichermaßen getroffen. Wer bis zu 100.000 Euro auf dem Sparbuch hat, muss eine Zwangsabgabe von 6,75 Prozent zahlen; jenseits dieser Schwelle werden es 9,9 Prozent. Insgesamt 5,8 Milliarden Euro sollen so zusammenkommen. Gleichzeitig wird erstmals die EU-weite Einlagensicherung ausgehebelt, die bis zu 100.000 Euro garantiert hatte. Zudem wird ein Wahlversprechen der konservativen zyprischen Regierung gebrochen, die Sparkonten seien sicher.

Dies löste einen Proteststurm nicht nur auf Zypern, sondern auch in Brüssel aus. Die Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Europaparlament, Sahron Bowles, sprach von einem „Desaster für den Binnenmarkt“. Auf Befehl der Eurogruppe würden über Nacht die Regeln gekippt. Dies könnte zu einer massiven Kapitalflucht aus Südeuropa und zu einem „Run“ auf die Banken in Spanien oder Italien führen, fürchten viele EU-Experten.

Zugleich bleibt offen, ob die Teilenteignung tatsächlich die reichen Russen trifft, die im Bundestagswahlkampf zur Zielscheibe der SPD geworden waren. Das Hilfspaket sieht zwar vor, dass auch ausländische Anleger – Russen, aber auch Briten und Griechen – die Zwangsabgabe zahlen müssen. Doch was mit jenen geschieht, die ihr Geld in Aktiendepots oder Briefkastenfirmen versteckt haben, blieb unklar.

Offen ist auch, ob das Hilfspaket tatsächlich zu einer Stabilisierung Zyperns führt. Zunächst einmal erhöht es die Schuldenlast der Insel drastisch; noch 2020 soll der Schuldenberg bei 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Und erst 2018 soll der aufgeblähte zyprische Bankensektor so weit geschrumpft sein, dass er EU-Durchschnittsmaß erreicht. Klar ist hingegen, dass die Zyprer nun die übliche neoliberale Rosskur erwartet, an der schon Griechen und Portugiesen verzweifelt sind. Sie müssen nicht nur die Zwangsabgabe auf ihr Erspartes zahlen, sondern zudem die profitablen öffentlichen Betriebe privatisieren. Steuern sollen erhöht und Pensionen und Einkommen gekürzt werden.

Für die Unternehmen hingegen ändert sich nicht viel: Ihr Steuersatz steigt von derzeit 10 auf gerade einmal 12,5 Prozent. Während die Bürger nun die Hölle fürchten, bleibt Zypern für Geschäftemacher ein Paradies.