Rekordernte in Brandenburg: "Für Spargel war der Mai zu nass"
Die Brandenburger Bauern haben diesen Sommer eine Rekordernte eingefahren. Das Land brauche aber mehr Tiere, sagt Udo Folgart, Präsident des Bauernverbands.
taz: Herr Folgart, die diesjährige Ernte ist vorbei. War das ein gutes Jahr für die Brandenburger Bauern?
Udo Folgart: Was den Hektarertrag ausmacht, ja. Es ist eine Getreidemenge geerntet worden, wie wir sie erst ein Mal in den letzten 20 Jahren hatten. Der Wermutstropfen ist natürlich, dass die Preise deutlich unter denen des Vorjahres liegen. Wenn beides zusammengekommen wäre, also gute Preise und die Menge, dann wäre es in der Tat ein sehr gutes Jahr geworden.
Woran lag es denn, dass die Ernte so gut ausgefallen ist?
57, ist seit 2003 Präsident des Landesbauernverbands Brandenburg und außerdem Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands. Er studierte Landwirtschaft an der Universität Rostock. Seit Oktober 2004 sitzt Folgart für die SPD im Brandenburger Landtag.
Die Witterungssituation für Brandenburg hat dieses Jahr gut gepasst. Wir hatten erst große Bedenken wegen des letzten Winters. Es ging ja noch in den März hinein mit Schnee. Aber am Ende hat sich doch noch gezeigt, dass die Schneedecke hilfreich war, die jungen Pflanzen vor Frost geschützt hat und auch für Feuchtigkeit sorgte.
Welches Produkt ist denn für die Brandenburger Landwirtschaft besonders wichtig?
Die Hauptgetreideart, die wir in Brandenburg haben ist der Winterroggen. Roggen ist die Getreideart Brandenburgs schlechthin. Er kommt mit den leichten wasserdurchlässigen Böden am besten zurecht. Insofern macht sich für uns eine Getreideernte auch daran fest, wie der Roggen abschneidet.
Winterroggen, ist das einfach Roggen, der im Winter ausgesät wird?
Nein, das ist Roggen, der im Herbst des vorangegangenen Jahres ausgesät wird. Wintergetreide macht einen großen Anteil der Kulturen aus, die wir hier haben. Man kann auch im Frühjahr Sommergetreide säen, aber dies hat eine kürzere Wachstumszeit. Wenn wir dann im Frühjahr zu wenig Regen haben, dann wächst dieses Sommergetreide schlecht und bringt wenig Ertrag. Das Verhältnis in Brandenburg ist in etwa 95 Prozent Wintergetreide und etwa 5 Prozent Sommergetreide.
Im vergangenen Frühjahr hatten die Obstbauern Probleme, weil es bis in den Mai noch Frost gab. Wie ist das denn ausgegangen?
Der verlängerte Winter hat dafür gesorgt, dass sich das Kernobst nicht so gut entwickeln konnte, weil der Frost noch teilweise in die Blüte hineingekommen ist. Dadurch gibt es dort deutlich weniger Erträge, etwa bei Äpfeln und Pflaumen. Auch bei den Gemüsebauern ist es dieses Jahr nicht so gut ausgegangen. Für den Spargel beispielsweise, die Hauptgemüseart Brandenburgs, war der Mai viel zu kühl und viel zu nass.
Städter beklagen oft, wenn der Sommer ins Wasser gefallen ist. Wie sehen das die Bauern?
Es hat sich auch dieses Jahr wieder bestätigt, dass die alten Bauernweisheiten doch passen. Also der Spruch: Ist der Mai kühl und nass, füllt’s dem Bauern Scheun’ und Fass. Für Brandenburg trifft dieser Spruch ganz speziell zu. Der größte Feind der Brandenburger Landwirtschaft ist die Vorsommertrockenheit.
Sie vertreten rund 36.500 brandenburgische Landwirte, vom Schweinemastbetrieb zum Rapsbauern. Sind da die Interessen immer gleich?
Natürlich nicht. Wenn ich den Spezialbetrieb sehe, der Futter zukaufen muss, träumt er natürlich nicht von hohen Getreide- und Futterpreisen, wie wir sie im letzten Jahr hatten. Für ihn sind dies zusätzliche Kosten. Er wünscht sich eine hohe Getreideernte und niedrige Weltmarktpreise. Insofern gibt es schon einen kleinen Interessenkonflikt.
Im Bundesdurchschnitt ist ein Hof etwa 57 Hektar groß, in Brandenburg rund 238 Hektar. Bedeutet die vierfache Größe auch den vierfachen Profit für die Bauern?
Es gab schon immer im ostelbischen Raum die größeren Betriebe, das liegt vor allem an der schlechten Bodenqualität. Für die Futterversorgung eines Schweins brauchen wir hier die doppelte Fläche. Unser Ertragsniveau liegt auch 20 bis 30 Prozent unter dem bundesdeutschen Schnitt. Insofern kann und muss man hier das ein oder andere über Fläche ausgleichen. Vierfache Größe heißt vereinfacht gesagt auch vierfache Arbeit und vierfache Kosten. Das Risiko, dass man gar nichts erntet, ist natürlich bei einem 50 Hektar Betrieb genau so groß wie in einem Betrieb mit 213- oder 1.000-Hektar.
Vergangenen Freitag hat der Weltklimarat seinen neuen Bericht vorgestellt. Darin heißt es, dass die Meeresspiegel schneller steigen als bisher angenommen. Was bedeutet der Klimawandel für die Brandenburger Landwirtschaft?
Wir stellen schon fest, dass es Veränderungen in den Witterungsabläufen gibt. Die Wetterkapriolen, also beispielsweise Regen zu einer Zeit, wo wir ihn eigentlich nicht brauchen, nehmen zu. Wir haben ja wieder mit Hochwasser zu tun gehabt, wo die Flut aus dem Mittelgebirgsraum zu uns kam. Davon waren auch unsere Betriebe betroffen, in Brandenburg wurden etwa 34.000 Hektar überflutet. Das ist so eine Wetterkapriole, die wir aus der Vergangenheit kaum kannten. In diesem Jahr wurden auch Polder geflutet. Das sind eingedeichte Landwirtschaftsflächen, die als Überflutungsflächen bei Hochwasser dienen. Innerhalb von 60 Jahren kamen sie jetzt erst zum zweiten Mal zum Einsatz. Das sind schon Zeichen, dass die Wetteranomalien zunehmen. Aber zunächst wird sich dadurch für den Anbau in Brandenburg nichts ändern.
Mastbetrieben wird vorgeworfen, sie seien mitverantwortlich für den Klimawandel.
Wenn ich nur über Brandenburg spreche, dann sage ich, dass wir hier eigentlich noch viel mehr Tierhaltung bräuchten. Wir haben im Vergleich zum Rest der Bundesrepublik einen Unterbesatz an Tieren, deshalb begrüße ich jeden Tierhalter, der zu uns kommt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Menschenrechtslage im Iran
Forderung nach Abschiebestopp
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod