NRW wirft seinen Nachwuchs raus

Flüchtlingskinder können noch so gut in der Schule sein: Bei der Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen wird die Integration nicht berücksichtigt. Solchen Kindern würde auch die NRW-Bleiberechtsregelung nicht helfen

+++ Kuvinthan Yogarathnam aus Essen +++ Der 18-jährige „Kuvi“, wie ihn Freunde nennen, lebt hier seit acht Jahren, spricht fließend Deutsch, dient als Messdiener in der Kirche, hat einen guten Schulabschluss und deshalb auch mehrere Arbeits- und Lehrstellen in Aussicht. Die Ausländerbehörde beeindruckt das nicht: Wenn es nach ihr geht, hätte der in Sri Lanka geborene Vollwaise bis spätestens gestern ausreisen müssen. Seine letzte Chance ist jetzt eine zweite Eingabe bei der NRW-Härtefall-Kommission, „diese Entscheidung wird noch abgewartet“, so Stadtsprecher Detlef Feige. Die erste Eingabe hatte die Härtefallkommission allerdings nicht befürwortet. Darauf hatten Freunde und der Fußballtrainer von „Kuvi“ eine Unterschriftenaktion gestartet, die in kurzer Zeit mehrere tausend Unterstützer fand.

+++ Familie Eke aus Marl +++ Sara (13) und Hanida (17) können kein Türkisch. Doch spätestens ab Weihnachten müssen sie es lernen – sie werden samt ihrer Mutter und zwei weiteren Geschwister in die Türkei abgeschoben. Ihre Mitschüler und Lehrer sind geschockt: „Sara und Hanida sind die besten in ihrer Klasse“, so ihr Rektor Klaus Jahn. Sara gewann die Kreismeisterschaft mit ihrem Fußball-Verein, Hanida strebt das Abitur an. Weil die fünfköpfige kurdisch-libanesische Familie bei der Einreise teilweise falsche Personalangaben machte, entzog ihr die Ausländerbehörde die Aufenthaltsberechtigung. Der Vater, der mit der Familie vor 20 Jahren einreiste, kann als einziger bleiben – weil er mit einer deutschen Frau ein Kind hat. Letzte Hoffnung ist ein Antrag an die Härtefallkommission – doch Marls Bürgermeisterin Ute Heinrich will die Entscheidung nicht abwarten.

+++ Met Iberdemaj aus Herne +++ Der in Deutschland aufgewachsene Kosovare ist am 2. Oktober „freiwillig“ ausgereist, um seiner Abschiebung zuvor zu kommen. Der 22-Jährige spricht fließend deutsch und war seit Jahren im Kinder- und Jugendparlament Hernes aktiv. Er hatte eine feste Zusage für eine Lehrstelle. Weder ein Antrag bei der Härtefallkommission, noch die Mahnwachen und Demonstrationen seiner Mitschüler und anderer Bürger aus seiner Region konnten seine Abschiebung nicht verhindern.

+++ Familie Idic aus Düsseldorf +++ Noch geht Semra Idic (17) in die 12. Klasse eines Gymnasiums, doch das Abitur wird sie in Deutschland wohl nicht mehr machen können. Wenn sie Glück hat und die Behörden gnädig sind, darf sie mit ihrer Mutter und den drei jüngeren Geschwistern, die alle hier geboren sind, vielleicht noch bis März bleiben – aber nur wenn die Mutter in den nächsten Tagen die Zustimmung zur „freiwilligen Ausreise“ unterschreibt und mit der Rückkehrberatung des Roten Kreuzes kooperiert. Semras Vater wurde bereits Anfang November nach Belgrad abgeschoben – nach über 13 Jahren in Deutschland. Die Familie war immer ein Musterbeispiel für Integration: Beide Eltern haben immer gearbeitet und ihre Kinder ohne staatliche Hilfe ernährt. Bis ihnen die Düsseldorfer Ausländerbehörde Anfang 2004 die Arbeitserlaubnis entzog.

+++ Familie Isik aus Oberhausen +++ Die Mitschüler von Seda Isik (11) sind empört: „Seda gehört zu uns“, sagen sie. Mit einer Unterschriften-Aktion wollen die Fünftklässler gegen die drohende Abschiebung ihrer Freundin und deren Familie protestieren, die seit 2000 in Deutschland lebt. Das wird die Behörden kaum beeindrucken, denn Asylantrag und Folgeantrag der kurdischen Familie sind abgelehnt. Am 12. Dezember sollen die Eltern mit ihren drei Kindern in die Türkei abgeschoben werden. NAW, SUG