Ein seltsames Paar

„Die Diebin und der General“ ist kein Sozialdrama, aber immerhin ein Rührstück mit Verstand (20.15 Uhr, ARD)

Gibt es ein Menschenrecht auf Cocktailkrabben? Irgendwie schon, findet Jessie (Katja Riemann). Die notorisch abgebrannte Supermarktangestellte klaut für ihren Sohn beim Arbeitgeber ein Glas der teuren Delikatesse, wird vom Geschäftsführer entlassen, fährt dem Peiniger danach aus Rache das parkende Auto zu Schrott, hält vor Gericht eine bewegende Ansprache über die Bedürfnisse ihres Jungen – und kommt gerade noch mal so mit 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit davon.

Im Altenheim, wo sie ihren Sozialdienst zu verrichten hat, trifft die Chaotin den „General“ (Jürgen Hentsch). Der alte Herr kann ziemlich mürrisch sein, vertraut nichts und niemandem und zerdeppert in wütendem Zustand schon mal allerhand Geschirr. Im Grunde genommen ist er ein bisschen so wie Jessie, nur eben älter und ohne Strähnchen.

Regisseur Miguel Alexandre setzt den Annäherungsprozess der beiden Soziopathen ohne großen Schnickschnack in Szene. Klar, „Die Diebin und der General“ ist ein Rührstück, aber eines mit einem gewissen Sinn für die Gegebenheiten der realen Welt da draußen. Der Film wird in der ARD wohl nicht zufällig am Donnerstag ausgestrahlt. Der Freitag gehört im Ersten ja dem Schmonzettentum der sendereigenen Produktionsfirma Degeto, am Mittwoch indes werden gelegentlich (und immer weniger) sozial engagierte Stoffe bearbeitet. Alexandres Tragikomödie liegt nun irgendwo dazwischen: Zwar gibt es hier nach Art des ARD-Freitagsschmu den herzensguten Lehrer (Heio von Stetten), der sich nicht nur um den Sohn der allein erziehenden Blondine kümmert, sondern bald auch die Mutter selbst bekocht. Doch wird der Sympathikus immer wieder aufs Herrlichste abgewatscht. Riemann, die im Alter ja eine richtig gute Schauspielerin geworden ist, hat ein paar gute Auftritte. Die Dialoge (Buch: Martin Rauhaus) sind trocken und manchmal sogar richtig lustig. So etwas findet man in ARD-Produktionen sonst ja eher selten.

Auf diese Weise nähert sich der Film mit einer gewissen Schmissigkeit den Phänomenen der Gegenwart. Die Zustände im Altenheim werden zwar ziemlich moderat dargestellt, aber nicht übertrieben weich gezeichnet. Man täuscht hier keineswegs vor, dass die real existenten Mängel im System der Altenpflege durch ein wenig mehr Zuwendung und ein paar Weihnachtsplätzchen zu kompensieren seien. TV-Routinier Alexandre, der es in früheren Arbeiten gelegentlich ein bisschen zu brachial menscheln ließ („Schutzengel gesucht“), nimmt den sozialen Kosmos, in dem seine Geschichte angesiedelt ist, also durchaus ernst. Herausgekommen ist ein patenter kleiner Film über die Liebe in Zeiten des Pflegenotstands. CHRISTIAN BUSS