LESERINNENBRIEFE
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Gegen Religionszwang

■ betr.: „Pseudofeminismus“, taz vom 4. 1. 10

Wie ihrem Kommentar zu entnehmen ist, unterstellt Ursula Müller Feministinnen, sie hätten kein eindeutiges Verhältnis bezüglich ihrer Kritik und wären insgeheim eurozentristisch. Man kann natürlich nicht für alle sprechen. Was aber ihr Verweis auf den Eurozentrismus bedeutet, bleibt unklar. Dieser Vorwurf ist so allgemein und unverbindlich wie in der Praxis antifeministisch. Zu Recht kritisiert sie den Kulturrelativismus von Gerichtsurteilen, die den kulturellen Hintergrund bei Gewalttaten bis in die 90er als strafmildernd behandelt hatten. Die Aufkündigung der herrschenden patriarchalischen Allianz wurde von Feministinnen zwei Jahrzehnte lang mit großem Einsatz verfolgt, und zwar immer verfolgt von dem Vorwurf des Eurozentrismus.

Es ist bekannt, dass diejenigen Frauen, die in der Schweiz für das Minarettverbot gestimmt haben, dieses gar nicht meinten. Und sie haben nicht dafür gestimmt, weil sie nicht durchblicken, sondern weil sie ein Stoppzeichen gegen die Folgen des Religionszwangs für Frauen setzen wollten. Und das ist nun ein Thema, das sich nicht feministisch und tolerant gegenüber den herrschenden Religionen von allein erledigt, wie wir aus Erfahrung wissen. Pseudo ist, so zu tun, als ob das im Falle des Islams so sei. Mitnichten, wie man an der Einschüchterung von muslimischen IslamkritikerInnen weiß. Dieses nicht wahrnehmen zu wollen, ist das feministisch?

Ich bin gegen Volksentscheide, weil sie alles in die Macht derjenigen legen, die Schwieriges mit Ja oder Nein beantwortet haben wollen. Das bedeutet nicht, dass die Wahrheit in der Mitte ruht.

HALINA BENDKOWSKI

Besorgniserregende Steuerpolitik

■ betr.: „Kinder müssen draußen bleiben“, taz vom 5. 1. 10

Die Steuerpolitik der schwarz-gelben Bundesregierung ist höchst besorgniserregend. Obwohl den Städten und Kommunen bereits vor dem Wirtschaftsbeschleunigungsgesetz die Mittel durch verminderte Einnahmen weggebrochen sind und sich dies nun nach der Verabschiedung des Gesetzes noch weiter verschärfen wird, erklärt die FDP, auch die im Wahlprogramm proklamierten weiteren Steuersenkungen durchsetzen zu wollen. Die Auswirkungen im sozialen und kulturellen Bereich sind immens; so wird nicht nur die Kinderbetreuung auf der Strecke bleiben, in manchen Städten und Gemeinden wird über die Schließung von Bibliotheken und Theatern nachgedacht. Da ist zu fragen, ob dies nicht auch der knapp 15-prozentigen Klientel der FDP fehlen wird. Mit der Aushöhlung der Infrastruktur im sozialen und kulturellen Bereich lässt sich ganz gewiss kein Staat mehr machen. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Was der taz fehlt

■ betr.: „Ist Margot Käßmanns Kritik am Afghanistankrieg mutig?“, taz vom 9. 1. 10

was der taz fehlt, ist eine tiefergehende auseinandersetzung mit dem krieg. wo sind beiträge, welche verhandlungslösungen mit den taliban diskutieren oder andere lösungen für den konflikt aufzeigen? wo sind beiträge, welche die ungleichbehandlung anprangern? denn der logik der kriegsbefürworter nach sollte die bundeswehr auch in china und in den iran einmarschieren. und werden menschenrechte nicht auch hier in deutschland immer wieder mit füßen getreten? die bundeswehr sollte also endlich auch im innern eingesetzt werden, um den menschenrechten zur durchsetzung zu verhelfen. zynismus ist sicher nicht die beste haltung, aber ich finde es bitter, wenn menschenrechtsverletzungen derart unterschiedlich behandelt werden. MICHAEL DROSS, München

Das ist scheinheiliges Kalkül

■ betr.: „Hartz IV auf dem Prüfstand“, taz vom 9. 1. 10

Der selbst ernannte Arbeiterführer Jürgen Rüttgers verschweigt, dass bei den Hartz-Gesetzen seine eigene Partei, die CDU, maßgeblich an der Ausgestaltung beteiligt war und noch immer ist. Jedes „Fortentwicklungsgesetz“ wird und wurde von der CDU mitgeschrieben. Wenn ich mich richtig erinnere, war Jürgen Rüttgers zu diesem Zeitpunkt auch noch Bundestagsabgeordneter der CDU. Wenn ihm alles so gegen den Strich ging, hätte er doch dagegen stimmen können bzw. die Mitglieder des Vermittlungsausschusses kontaktieren können. Das ist scheinheiliges Kalkül. Herr Rüttgers sollte doch mal klar und deutlich erläutern, wer denn die Einflüsterer dieser „Reform“ waren und sind. Das war nicht nur Peter Hartz.

MARION MANNECK, Essen