piwik no script img

Der Press-SchlagDie Dogmen müssen weg

Kolumne
von Christoph Ruf

Die Exzesse von Dynamo-Dresden-Anhängern in Bielefeld werfen Fragen auf. Diesmal können sich auch die Fans ihnen nicht entziehen.

Die Fans müssen handeln: Dresdener im Gästeblock in Bielefeld. Bild: dpa

M arcus Uhlig ist ein vernünftiger Mann, einer, der die Erlebnis- und Gefühlswelt von Fußballfans nicht nur vom Hörensagen kennt. Wenn einer wie er den Ausschluss von Dynamo Dresden aus dem bezahlten Fußball fordert, muss etwas so Schlimmes passiert sein, dass der zweite Gedanke, der nach Wut und dem Affekt kommt, nicht mehr durchdringen kann.

Uhlig, seines Zeichens Geschäftsführer von Arminia Bielefeld, dürfte bereits wenige Stunden nach dem Schlusspfiff klar gewesen sein, dass die, die der Fluch von Dynamo Dresden sind, den Verein wohl auch in der achten Liga begleiten würden, er dürfte gemerkt haben, dass weder die große Masse der Dynamo-Fans noch die Spieler noch die Vereinsführung etwas dafür können, dass sich in ihrem Gefolge Leute tummeln, die Dynamo in einer Stellungnahme vom Sonntagabend völlig zu Recht „Kriminelle“ genannt hat.

Schon am Bielefelder Bahnhof, wo die Polizei offenbar zunächst auf die Deeskalationsstrategie gesetzt hat, die Fan-Sozialarbeiter immer fordern, detonierten Böller, später wurden 17 Polizisten verletzt, ein Supermarkt und ein Kino demoliert, zwei Catering-Häuschen im Stadion überfallen und ausgeraubt. 1.000 Sicherheitsleute und bis zu 900 Polizisten konnten die Brutalität nicht eindämmen.

Wie tief muss man gesunken sein, um auf Menschen einzutreten, die am Boden liegen, oder einem Polizeipferd Schnittwunden zuzufügen? Das ist eine rhetorische Frage, eine Antwort braucht es nicht. Aber die Fans müssen handeln. Dynamo Dresden hätte man nur dann einen Vorwurf machen können, wenn der Verein es versäumt hätte, sich mit den klarstmöglichen Worten von den Vorfällen zu distanzieren. Doch genau die finden sich in der Erklärung des Vereins.

Gescheiterte Selbstregulierung

Auch die Fußball-Verbände sind außen vor. Sie haben längst begriffen, dass Kollektivstrafen ungerecht und kontraproduktiv sind, und propagieren völlig zu Recht eine sogenannte täterorientierte Strafverfolgung. Wer Menschen überfällt und ausraubt, die für ein paar Euro die Stunde Wurst und Glühwein verkaufen, sollte nie mehr in ein Stadion dürfen und genau die Strafe absitzen, die ein Richter festlegt.

Das Problem daran: Es muss erst ermittelt werden. Und genau das dürfte mal wieder schwer werden, weil Fans, längst nicht nur Ultras, es in der Regel ablehnen, mit Polizei und Behörden zu kooperieren. Man mag das ja vielleicht noch verstehen, wenn es um das Abbrennen von Pyros geht. Aber bei Raub und schwerer Körperverletzung? „ACAB – All cops are bastards“, dieser Spruch krankte schon immer am ersten A. Und auf die Situation in Bielefeld trifft er gewiss nicht zu.

Die Dynamo-Fanszene hat in den vergangenen Monaten bewiesen, dass Selbstregulierung funktionieren kann. Wenn auch diese scheitert, müssen die Fans aber endlich jene Dogmen über Bord werfen, die nur noch zynisch und verbrecherisch sind.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • H
    Hans82

    Ich lasse das mal unkommentiert hier stehen und hoffe, dass es auch von dem Autor eines solchen Berichtes gelesen und in seine zukünftige Recherche über etwaige Vorkommnisse mit einfliesen lässt:

    http://www.fanprojekt-dresden.de/news/auswertung-des-spieles-in-bielefeld/

    • B
      Brandinger
      @Hans82:

      Dem ist nichts hinzuzufügen! Es ist bezeichnend, dass Aussagen ungeprüft veröffentlicht werden. Da wird aus einem Supermarkt - laut Polizeisprecher und inzwischen widerlegt - mehrere Supermärkte und Kinos... Aus einem simplen Mißverständnis im Inneren des Bahnhofs wird das Durchbrechen einer Absperrung durch 250 gewaltbereite Hooligans... Diese Art der Berichterstattung grenzt an Verleumdung und ich hoffe, dass die SG Dynamo Dresden und das Fanprojekt Dresden entsprechende Rechtsschritte prüfen!

  • P
    Phil

    Die Polizei hat kein bißchen auf Deeskalationsstrategie gesetzt. Dazu gab es überhaupt keine Gelegenheit. Die Dresdner waren dermaßen auf Krawall gebürstet, die hatte noch garnicht alle den Sonderzug verlassen da waren schon zahlreiche Kanonenschläge und Bengalos gezündet worden. Die Polizei hat sich offenbar schlicht zurückgehalten um nicht noch Öl in's Feuer zu gießen. Wird halt komplizierter wenn man es mit richtigen Gegnern beim Fußball aufnehmen muss und nicht nur mit vierzehnjährigen Schülern im Park.

  • B
    Buster

    Na klar müssen sich die Ultras&andere Fans von den "Kriminellen" distanzieren und sich mit ihnen näher befassen. Dennoch sollte sich auch mal von Medien, Gesetzgeber und Exekutive gefragt werden, warum sich denn viele Ultras (die oftmals gut gebildet sind) den "Kriminellen" die Polizisten angreifen näher fühlen als der Staatsmacht und seinen Repräsentanten. Weil seit Ewigkeiten Leute in eine Ecke gedrängt werden, die einfach vom der deutschen Mainstream-Gesellschaft nicht verstanden werden. Und was nicht verstanden wird ist nach Logik des anständigen Bürgers gleichzeitig eine Bedrohung. Seht es wie ihr wollt: In der Logik von Ultras sind diese Hooligans und Kriminelle ein Schutz vor der Polizei, da sie sich als erste dazwischenhauen und die Polizei ist, auch wenn das viele nicht wahr haben wollen, für viele (und zumeist friedliche) Fußballfans, insbesondere in unteren Ligen, schlicht eine Bedrohung.

    • F
      FrauRunzel
      @Buster:

      Hools und Ultras als rettende Ritter vor den anstürmenden Knüppel-Horden...oooohja...

      Ich MUSS jetzt einfach raus hier und allen Gewalt-Fans (insbesondere den hier im Artikel behandelten) Dank aussprechen für das Abwenden mehrerer Krankenhausaufenthalte, verursacht durch marodierende Polizeihorden:"the Bedrohung"

      • @FrauRunzel:

        wer hat die Demonstranten in Kairo verteidigt und beschützt...? (bei der Revolution) die Fußballfans!..., in Istanbul haben sich die verfeindeten Ultra-Gruppen der drei gr.Vereine zusammen getan und die Demonstranten verteidigt und beschützt,

        (wegen der Fällung von Bäumen)...,

        beim Confed-Cup in Brasilien haben die Hools und Ultra's Seite an Seite mit der Bevölkerung gekämpft..,für bessere Lebensbedingungen und gegen die korrupte FIFA, aber ganz ruhig FRAUENUNZEL, schön zu hause bleiben und elektronisch unqualifizierte Kommentare abgeben...,

        • @tomas:

          Ich vermute kaum, daß es den Ultras u. Hools bei den von Ihnen genannten Beispielen darum ging, dem Ansinnen der Demonstranten Rechnung zu tragen; ich denke eher, daß die massierte Poizeipräsenz willkommener Anlass zum heiteren Kräftemessen mit den "Fußballbegeisterten" gewesen ist! Wieso eigentlich enthalten sich die deutschen Ultras und Hools den Fragen der gesamtgesellschaftlichen Gegenwart so konsequent ?

          Gelegenheit dazu gibt es nämlich auch hierzulande reichlich.

          Sind das am Ende gar keine "richtig echten" Ultras + Hools ?

  • S
    Stefanius

    Es wurde kein Kino demoliert es wurde lediglich versucht einen Feuerlöscher von der Wand zu lösen und mit zu nehmen....auch die Medien haben Schuld....

  • S
    SoNich

    Wer Menschen überfällt, ausraubt, andere mit Sprengstoff (und nichts anderes sind die ach so niedlichen "Bengalos") gefährdet und gar Polizisten angreift braucht kein Stadionverbot, sondern schlicht ein Gerichtsverfahren und die gesetzlich vorgeschriebenen Strafen.

    Wir wollen keine Sonderrechte für reiche Steuerflüchtlinge oder betrügerische Banker und dementsprechend auch keine bei Straftaten im Bereich des Fußball.

  • T
    T.V.

    Fanatiker sind eben in ihrer Fachidiotie realitätsfremd. Wird Zeit, daß das auch der Millionärssport begreift.