EU reformiert Fischereipolitik: Schutz ohne Wirkung
Die Fischbestände in europäischen Meeren werden durch die EU-Reform besser geschützt. Doch dieselben Trawler fischen so lange vor Westafrika.
STOCKHOLM taz | Die „Neuordnung“ sei „überfällig“ gewesen, sagte die SPD-Europaabgeordnete Ulrike Rodust. Selbst die Grünen im EU-Parlament nannten die am Dienstag beschlossene Reform der EU-Fischereipolitik einen Durchbruch.
Zuvor hatte das Parlament für Rückwurfverbote und erweiterte Fangverbotszonen votiert. Doch die Umweltorganisation Greenpeace ist skeptisch: „Die Überfischung der Meere hängt eng mit den Überkapazitäten der Fangflotten zusammen“, sagt Jan Isakson, Meeresexperte von Greenpeace Schweden. Die neue Untersuchung „Export der Ausbeutung“ klagt die widersprüchliche EU-Fischereipolitik an.
Da ist beispielsweise die „Aldo“. Satte 773.000 Euro zahlten die EU-Steuerzahler dem Eigentümer des Trawlers laut Greenpeace seit 1995. Erst in den 1990er Jahren, damit er das Schiff modernisieren und damit effektiver fischen konnte, dann für Prämien für den Verzicht auf Fangquoten in EU-Gewässern.
Doch die „Aldo“ fischt nun seit 2008 unter der Flagge Marokkos vor der Küste der Westsahara – ähnlich wie insgesamt 20 andere Schiffe aus Schweden, Dänemark und Irland, die Greenpeace aufgespürt hat. Offenbar wurde nur die Flagge ausgetauscht, teilweise haben weder Besatzung noch Eigentümer gewechselt. Von 39 in Schweden offiziell stillgelegten Fischereibooten wurden tatsächlich nur 4 auch verschrottet. Die überfischten Gewässer vor Westafrika sind indes – weil kaum kontrolliert – als Fangrevier besonders beliebt geworden.
Fisch in der Kapsel
Der Fisch landet nun beispielsweise als Lachsfutter in Norwegen oder wird Rohstoff für „Omega 3“-Kapseln. Fünf Sardinen werden für eine Kapsel gebraucht, jede einzelne würde die tägliche Proteinration eines Kindes aus der Region decken, rechnete eine schwedische TV-Dokumentation unlängst vor.
Greenpeace wendet sich auch gegen das neue Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko, das ebenfalls am Dienstag vom EU-Parlament abgesegnet wurde. Die Europagrünen bezeichnen es gar als „schändlichste Episode in der neokolonialen Fischereipolitik der EU“.
Auch Schweden lehnt das Abkommen als völkerrechtswidrig ab, weil es von der marokkanischen Besatzungsmacht über die Köpfe der Einwohner der Westsahara hinweg ausgehandelt wurde. Und dennoch fischen auch schwedische Trawler ungehindert die dortigen Ressourcen ab – weil die EU-Fischereipolitik nicht verhindert, dass in Europa abgebaute Überkapazitäten nicht verschwinden, sondern einfach exportiert werden können.
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