Die Bahn zieht an

VON STEPHAN KOSCH

Der Deutschen Bahn geht es besser als geplant. Der für dieses Jahr angestrebte Betriebsgewinn von 400 Millionen Euro ist sicher, verkündete Bahnchef Hartmut Mehdorn gestern dem Aufsichtsrat. Nach Angaben aus Bahnkreisen sind sogar mehr als 500 Millionen Euro drin. Und im kommenden Jahr sogar mehr als eine Milliarde Euro. Der Grund für den Optimismus: Die bislang in den roten Zahlen fahrenden Intercity- und ICE-Züge erreichen in diesem Jahr wieder die Nulllinie – ein Jahr früher als geplant.

Das dürfte auch den hohen Spritpreisen geschuldet sein, die das Zugticket für manchen Autofahrer plötzlich attraktiv machten. Die Zahl der Fahrgäste lag von Januar bis Oktober mit 1,5 Milliarden um rund 50 Millionen über dem Vorjahreszeitraum. Außerdem habe sich der Schienengüterverkehr besser entwickelt als erwartet, bleibt aber noch immer defizitär.

Die Güterwagen bleiben also ein Problem für die Bahn. Deshalb will Mehdorn auch die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) kaufen. Die ist Spezialist für Containertransporte und arbeitet profitabel, ebenso wie die Stinnes AG mit ihrer Spedition Schenker, die seit gut zwei Jahren zum Bahnkonzern gehört. Und die US-Spedition Bax Global, für die der Kaufvertrag vor gut drei Wochen unterzeichnet wurde.

Ähnlich wie Postchef Klaus Zumwinkel setzt Mehdorn auf das weltweite Transportgeschäft mit Lkw, Schiffen, Flugzeugen – manchmal auch zum Nachteil für die Schiene (siehe Text unten). Bereits 2004 nahm die Bahn fast jeden zweiten Euro im Bereich Transport und Logistik ein – Tendenz steigend. Die frühere Kernaufgabe des noch in Staatshänden liegenden Unternehmens rückt mehr und mehr in den Hintergrund.

Und der Eigentümer stützt den Kurs. Zumindest hat der Aufsichtsrat, in dem auch die Vertreter der Bundesregierung sitzen, Mehdorn und seine Vorstandskollegen dazu aufgefordert, die Übernahmeverhandlungen in Hamburg fortzusetzen. Dort steht neben der HHLA auch die Hamburger Hochbahn zum Verkauf.

Vor dem Hauptstreitpunkt drückt sich der Aufsichtsrat zunächst. „Umzugsfragen werden erst am Ende des gesamten Bewertungsprozesses entschieden“, erklärte Aufsichtsratsvorsitzender Werner Müller gestern. Dabei hat Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust immer wieder betont, dass er nur an die Bahn verkauft, wenn der Konzern seinen Sitz von Berlin in die Hansestadt verlegt. Mehdorn würde das akzeptieren, auch wenn es bis zu einer Milliarde Euro kosten könnte. Die Bundesregierung ist dagegen. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee befürchtet eine Schwächung Ostdeutschlands als Wirtschaftsstandort. Bislang jedenfalls. Nun hat der Bahnchef ja noch etwas Zeit für Überzeugungsarbeit. Und kann damit gleich bei Bundeskanzlerin Merkel anfangen, die er voraussichtlich heute trifft.

Außerdem hat Mehdorn in dieser Frage einen wichtigen Verbündeten – den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden Norbert Hansen, Chef der größten Bahngewerkschaft Transnet. Der verfügt über beste Kontakte zu den führenden Sozialdemokraten. Und forderte die Bundesregierung erneut auf, über das Engagement der Bahn in Hamburg ausschließlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. „Die Bundesregierung hätte ein großes Problem, wenn sie aus politischen Gründen die Beteiligung an beiden Hamburger Landesunternehmen verhindern würde“, warnte Hansen im NDR. Denn dann müsste sie als Eigentümer die Konsequenzen dafür übernehmen, wenn sie den Vorstand zu nachteiligen Entscheidungen für das Unternehmen anwiese. Die Konzernspitze müsse aber nicht „in voller Besetzung“ verlegt werden, sagte Hansen.

Damit deutet er den möglichen Kompromiss an: Die Logistiksparte zieht nach Hamburg, die Konzernzentrale bleibt in Berlin. Bislang hatte Bürgermeister von Beust diese Variante aber abgelehnt.