Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Die Geschichte ist heikel, auf dem Theater zumal. Denn da sitzen wir Bürger warm zwischen Plüsch und Stuck und schauen uns das von Staatsschauspielern nachgestellte Elend der Allerärmsten an. Trotzdem fordert Maxim Gorkis epochales Drama „Nachtasyl“, das in einem Obdachlosenasyl spielt, immer wieder die Regisseure heraus, durch den Blick nach ganz unten das Theaterpublikum zur augenblicklichen Einleitung von Weltverbesserungsmaßnahmen aufzurütteln. Diesmal probiert es Thomas Langhoff, der das Stück im Berliner Ensemble inszeniert, Premiere heute. Am Mittwoch geht in der Volksbühne, frei nach Michael Curtiz und Humphrey Bogart, dann der neue Pollesch los – „Ich schau dir in die Augen, gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang“, dem René Pollesch den schönen Untertitel „interpassives Theaterstück“ verpasst hat, womit die Tragik aller Weltveränderungsfanatsien, die das Theater größenwahnsinnigerweise immer wieder hat, auf das Schönste auf den Punkt gebracht worden ist. Tief in die Elendskiste greifen auch die Stücke von Dea Loher, die sozusagen als Maxima Gorki das Leben immer dort sucht, wo es am finstersten ist. In ihrem neuen Stück „Diebe“ ist das nicht anders: Wieder einmal ein subtiles Elendspatchwork, durch das natürlich, auch darin ist sie Gorki nicht unähnlich, stichflammenartige Erlösungsstrahlen dringen. Andreas Kriegenburg, erprobter Dea-Loher-Regisseur, inszeniert wieder die Uraufführung, die ab Freitag im Deutschen Theater zu sehen ist. Besonders rosig sieht die Welt auch in Dennis Kellys Stück „Taking Care of Baby“ nicht aus, in dem es um potentiellen Kindsmord und amoralische Medien geht. Aber so ist es eben im Theater, das es lieber etwas heftiger mag. Sonst kann man schließlich auch zu Hause bleiben. Premiere ist Sonntag in den Kammerspielen des DT.

■ „Nachasyl“: Berliner Ensemble, ab Di

■ „Ich schau dir in die Augen…“: Volksbühne, ab Mi

■ „Diebe“: Deutsches Theater, ab Fr

■ „Taking Care of Baby“: DT-Kammerspiele, ab So