Neues Nabu-Domizil: In der Sebaldsbrücker Wildnis

Der Naturschutzbund Nabu hat eine ehemalige Großgärtnerei in Sebaldsbrück geerbt und dort seine neue Geschäftsstelle eingerichtet.

20 Jahre lag das Gärtnerei-Gelände brach - und das sieht man ihm auch an. Bild: Jan-Paul Koopmann

Mitten in Sebaldsbrück, keine 200 Meter vom Mercedes-Werk entfernt, bahnt sich Nabu-Geschäftsführer Sönke Hofmann einen Weg durchs dichte Unterholz. Der Naturschutzbund hat hier ein drei Hektar großes Gärtnereigelände von der im vergangenen Februar verstorbenen Gertrud Fördelmann geerbt.

20 Jahre lang lag die Anlage brach, verkaufen ließ sie sich wegen der Nutzungsauflagen nicht. Inzwischen haben sich die Anpflanzungen verselbständigt. „Die Natur erobert sich alles zurück“, sagt der gelernte Förster Hofmann und betrachtet das Durcheinander zwischen Nobilis-Tannen und Apfelbäumen. „Wald im Wandel“ nennt er diesen Gelände-Abschnitt. Auch Tiere haben sich hier angesiedelt: Rotkehlchen und Amseln, am Vortag hat Hofmann Eichelhäher gehört, ein Elsternpaar vermutet er irgendwo im Gestrüpp. Es flattert hier überall.

Entlang eines schlammigen Grabens geht es weiter in die alte, dunkle Lebensbaumplantage. Die Nadelbäume sind für Friedhofskränze angebaut worden – und nach Trauer sieht es auch aus. Hofmann möchte hier einen Froschteich anlegen, umrundet von einem barrierefreien Lehrpfad für BesucherInnen. „Das sind so Ideen, mit denen wir spielen“, sagt er. Davon hat er noch einige mehr: Museale Dreifelderwirtschaft soll auf einer Wiese im Eingangsbereich vorgeführt werden. Der Nabu möchte dort Weizen, Hafer und Gerste anbauen, für Vögel und für das Vieh, wenn Schafe, Ziegen und Esel vom Schullandheim Dreptefarm zu Besuch kommen.

Das jährliche Schafscherfest des Nabu sei schon jetzt gut besucht, sagt Hofmann, aber „hier, mitten in der Stadt, könnte das locker 1.000 Besucher ziehen“.

Bis aus ersten Gedankenspielen konkrete Pläne werden konnten, war viel zu tun. Und um sie umzusetzen, fehlt es auch jetzt noch an Geld: 500.000 Euro hat der Nabu für die Sanierung der Gebäude und die Gestaltung des Außengeländes kalkuliert. „Aber auch mit 100.000 könnten wir schon einiges anstellen“, sagt Hofmann. Über Spenden finanziert der Verband Baumaterial und Aufträge an Fachfirmen, wo Eigenleistung nicht ausreicht.

Die neuen Büros im ehemaligen Gärtnereigeschäft sind bereits im Betrieb. Zuvor haben ehrenamtliche HelferInnen wochenlang geschuftet, Wände verputzt und Böden verlegt. In dem 50er-Jahre-Bau standen sogar noch Möbel. Einige davon haben die Naturschützer aufgearbeitet. Ein besonders schrulliger Sessel steht heute im Rollschuh-Musical „Scrouge“ auf der Bühne – als Requisit staubiger Zeiten.

Im Obergeschoss entstehen Wohnungen für junge Menschen, die ein freiwilliges ökologisches Jahr beim Nabu machen wollen. Aber: „Die Isolierung ist miserabel“, sagt Hofmann, „man kann fast zusehen, wie die Wärme entweicht.“ Das ärgert ihn nicht nur als Umweltschützer, sondern schlägt sich auch in den Kosten nieder. Ein neues Dach ist darum eines der dringenderen Projekte auf der Liste.

Die ehemalige Kranzbinderei nebenan soll später als Versammlungsraum dienen. „Und vielleicht als Café für Besucher“, sagt Hofmann. Einen Treffpunkt hat er im Sinn für Leute, die das Gelände erkunden oder einfach ein bisschen Natur in der Stadt genießen wollen. „Beim Nabu zur Ruhe kommen“, testet er einen Slogan. „Warum nicht auch die Mercedes-Mitarbeiter von nebenan in ihrer Mittagspause?“ Das allerdings ist in dem feuchten und modrig riechenden Haus noch schwer vorstellbar. Zurück an der frischen Luft, blickt Hofmann noch einmal zum Waldstück: „Ich bin jedes Mal froh, wenn ich vom Schreibtisch weg und hier raus komme.“ Dass dieses Großprojekt im Vahrer Feldweg noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird, stört ihn nicht: „Selbst wenn manche Sachen vielleicht erst in 20 Jahren fertig sein sollten – als Förster denke ich eh in solchen Dimensionen.“

Fördelmanns Erbe kam für den Nabu völlig unerwartet. Als Hofmann die Benachrichtigung bekam, schenkte er ihr zunächst kaum Beachtung. „Ich habe mir das Gelände kurz im Internet angesehen und die Geschichte einfach nicht geglaubt.“ Regina von Ohlen, die Nichte der Erblasserin, habe sich schon gewundert, warum in den ersten Wochen niemand anrief. Inzwischen ist der Nabu aber angekommen. „Das passt alles wie die Faust aufs Auge“, sagt Hofmann. „Alltag, Erlebnis und Umweltschutz zusammenzubringen, ist es ja gerade, was uns ausmacht.“ Für ihn selbst ist es auch ein Stück Lebensinhalt. Er habe damals gerade angefangen, über seine Zukunft nachzudenken: „Vielleicht noch in die Politik gehen oder sowas.“ Aber um jetzt noch irgendwas anderes zu machen, sei das alles hier „einfach viel zu geil“.

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