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Kolumne Der Rote FadenDie Tage nach dem Knall

René Hamann
Kolumne
von René Hamann

Schumachers Unfall, der Anschlag von Wolgograd, Winterpause, Karneval: Die politische Woche im Rück-, Vor- und Überblick.

Das Krankenhaus am Rande der Stadt: Zu Schumis Geburtstag drängen sich Ferraristi am Eingang. Bild: dpa

D ie erste Kalenderwoche ist traditionell zerstückelt. Die Politik macht Pause, die Nachrichten der letzten Tage wurden im Wesentlichen von gemischten Meldungen beherrscht, zum Beispiel von der, dass ein Exrennfahrer eine Skipiste heruntergerast ist, bis seine Steilfahrt an einem Fels ihr Ende fand.

Draußen in der Provinz, in den deutschen Vor- und Schrebergärten, flattern seitdem wieder die roten Fahnen einer italienischen Automobiledelmarke, stets bereit, auf halbmast gezogen zu werden. Und fernab, in der schönen französischen Stadt Grenoble, am Rande der Alpen, versuchen sich Journalisten in Priesterkutte einen Zugang zum Patienten zu erschleichen.

Dabei hat der Exrennfahrer zuletzt die Marke gewechselt, von Rot zu Silber; und dass andernorts, aber auch in den Alpen sieben Menschen von Lawinen erfasst und getötet wurden, interessiert in diesem Zusammenhang wohl weniger. Glücklich ist, wer mit Nina Simone singen kann: „My baby don’t care for cars and races, my baby just cares for me.“

Immerhin hat noch keiner das eine mit dem anderen zusammengebracht, also mache ich das jetzt. Grenoble ist, man glaubt es kaum, auch eine olympische Stadt; hier fanden im außerordentlichen Jahr 1968 die Winterspiele statt (übrigens die ersten, an denen zwei deutsche Mannschaften teilnahmen).

Wenn Geschwindigkeit zur Sucht wird

In wenigen Wochen wird das kaukasische Sotschi zur olympischen Stadt, und so haben wiederum andere KollegInnen, diesmal wohl kaum in priesterlicher Kluft, die Entfernung vom Austragungs- zum Tatort gemessen. Sie wissen schon, zum Tatort der letzten terroristischen Anschläge des vergangenen Jahres im – den Deutschen unter anderem Namen sattsam bekannten – Wolgograd. Und wie weit ist es? Kann man die Strecke Wolgograd–Sotschi a) auf Skiern, b) im Formel-1-Wagen oder c) im Trolleybus zurücklegen? Die richtige Antwort lautet d), 700 Kilometer, und damit ist es erst einmal genug der zynischen Betrachtung.

Stattdessen könnte man etwas über den Rausch schreiben. Michael Schumacher, besagter Expilot, hat in seinem früheren Beruf, also bevor er Ski fahrender Privatier wurde, seine ihm eigene Waghalsigkeit, seinen Mut zum Risiko und seine Leidenschaft für den Rausch der Geschwindigkeit eine Zeit lang aufs Beste mit maschineller Perfektion und perfekter Arbeitsstruktur verbinden können.

Die Folge waren mehrere Weltmeistertitel in einer Sportart, die in dieser Zeitung völlig zu Recht nicht verfemt, sondern, besser noch, ignoriert wurde. Wer sich aber an Schumachers Unfälle erinnert, beispielsweise an den von Spa, bei dem er völlig haltlos und blind in ein vor ihm quasi stehendes Auto gebrettert ist, oder an den, als er im entscheidenden Rennen versucht hat, seinen Konkurrenten Villeneuve von der Strecke zu schubsen, wird sich auch über diesen Skiunfall nicht gewundert haben können. Ganz nach dem Motto: Wenn Geschwindigkeit zur Sucht wird – und, wie jede Sucht, lebensgefährlich werden kann.

Banaler Rausch

Der Vorteil ist ja für Berserker wie „Schumi“, dass mit Geschwindigkeitssucht unter fördernden Umständen eine verdammte Stange Geld gemacht werden kann, während andere Süchte, die nicht so direkt mit „Leistung“ in Verbindung stehen, auf Dauer eher arm machen. Aber egal, wie das Schicksal des Expiloten in der Klinik von Grenoble entschieden oder verlaufen wird, sicher ist, dass es nichts an den Zuständen ändern wird. Auch ein toter Michael Schumacher wird den Erfolg der Formel 1 nicht aufhalten oder die Unsitte des Skifahrens (teuer, umweltschädlich, gesundheitsgefährdend) dauerhaft diskreditieren. Aus hedonistischer Sicht ist das vielleicht sogar auch gut so.

Draußen, auf den Straßen unserer friedlichen Republik, ist das mit dem Rausch banaler. Da regierte rund um den Jahreswechsel natürlich der Alkohol. Und besonders der Lärm. Böller und Raketen, die vorzugsweise aus Polen importiert waren oder gleich aus China, knallten 72 Stunden lang; die Leuchtkraft ist enorm und schön, die Sprengkraft passabel, aber die Lautstärke genau das: ohrenbetäubend. Man weiß nicht, wie viele HNO-Ärzte sich am gestrigen Freitag über volle Wartezimmer freuten. (Und wie viele Veterinärpsychologen sich der verstörten Haustiere annehmen mussten.)

Zwei, drei Tage lang war also Ausnahmezustand, eine Woche nach Weihnachten, aber dann ist schon wieder Kehrwoche und Rückkehr zum Alltag. Die Tage nach dem Knall. Aber keine Sorge, der nächste ordnungsgemäß eingerichtete Ausnahmezustand kommt bestimmt, zumindest in den westdeutschen Provinzen: Am 3. März ist Rosenmontag. Und viele LeserInnen bewegt schon jetzt nur diese eine Frage: Gibt es dieses Jahr auch eine Karnevals-taz?

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René Hamann
Redakteur Die Wahrheit
schreibt für die taz gern über Sport, Theater, Musik, Alltag, manchmal auch Politik, oft auch Literatur, und schreibt letzteres auch gern einmal selbst.
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3 Kommentare

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  • N
    Nachweis?

    Liebe taz'ler, sucht ihr immer noch nach dem Nachweis?

    Schaut doch mal in der Schublade "Enthüllungen" nach.

     

    Auch nix drin? So was aber auch.

     

    Es ist doch immer wieder gut zu wissen, dass es den seriösen taz-Journalismus gibt.

     

    Übrigens - falls dieser Kommentar (bzw. diese Nachfrage) wieder nicht online geht, dann weiß ich, was ich von der gepredigten Meinungsvielfalt zu halten habe.

     

    Macht nur so weiter, dann schicke ich euch die Femen vorbei.

  • G
    Gast

    Auch ich mag Motorsport nicht so besonders und bin der Meinung, dass man diesen - genau wie Skifahren - kritisch betrachten sollte. Aber die Art und Weise, wie hier über einen Menschen berichtet wird, der nach einem Unfall im Koma liegt, finde ich weder journalistisch noch menschlich in Ordnung. Ich habe bisher in keiner seriösen Quelle lesen können, dass Herr Schumacher mit hohem Tempo unterwegs gewesen wäre und dass diese Geschwindigkeit ursächlich für seinen Unfall war.

     

    Übrigens interessiert es mich auch nicht so besonders, ob es eine Karnevals-taz gibt.

  • N
    Nachweis?

    Schau an, da weiß die taz ja mehr als der Rest der Welt. Kam der als Priester verkleidete Journalist etwa aus Berlin? Woher weiß die taz, dass Schumacher auf der Skipiste gerast ist? Bitte belegen Sie diese Info, Herr Hamann. Oder passt es einfach so schön in das verquere Weltbild der Redaktion, dass man sich um Belege nicht kümmern muss, wenn es dem moralinsauren Schreiberling in den Kram passt, einen ehemaligen F1-Piloten zu schmähen?

     

    Ich bin in gespannter Erwartung Ihres Nachweises. Der aber vermutlich nicht kommen wird. Mit Dreck zu werfen ist einfacher, als seriösen Journalismus zu betreiben. Was man so gerne bei der Bild kritisiert, zählt natürlich nicht für das edle Geblüt der Besserjournalisten aus dem Hause taz. Hoffentlich stürmen jetzt nicht nackte F1-Fans die Redaktion um gegen diese Art der Berichterstattung zu protestieren. Am Ende müssten diese noch mit Gewalt entfernt werden - nicht auszudenken.