Verdacht: „Wohnungshilfe“ im Visier

Das Sozialressort hat die „Wohnungshilfe“ wegen Betruges angezeigt: Akten seien gefälscht worden. Der Verein weist das zurück, sieht Sparmaßnahmen am Werk.

Der Bremer Verein "Wohnungshilfe" will solche Schicksale verhindern. Bild: dpa

BREMEN taz | Gegen die Geschäftsführerin des Vereins „Wohnungshilfe Bremen“ laufen Ermittlungen wegen Betrugsverdachts. Das bestätigte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Frank Passade, am Dienstag der taz. Der Vorwurf: Im Zuge einer Überprüfung der Innenrevision des Sozialressorts sollen Akten gefälscht worden sein. Aus dem Sozialressort erstattete man daraufhin Anzeige. Der Verein weist die Vorwürfe zurück. Die Motivation, so ins Visier genommen zu werden, läge in „weiteren Sparmaßnahmen“ des Ressorts begründet.

Generell hört man über die Arbeit der Wohnungshilfe in Bremen viel Gutes. 1983 gegründet, vermittelt der Verein Wohnraum an „sozial benachteiligte" Menschen: 200 Haftentlassene, Drogenabhängige oder benachteiligte Jugendliche mieten derzeit eine Wohnung über den Verein – als Untermieter oder in einem der zehn vereinseigenen Häuser. Die Mieter erfahren dabei mehr als hausmeisterliche Unterstützung: Ihnen wird bei Krisen mit der Nachbarschaft geholfen, sie werden an Arbeits- oder Schuldenberatungen vermittelt. Das Ziel: die „Verselbstständigung der Mieter“ bei „sowenig Kontrolle wie möglich“ – ein Konzept zur Abwendung von Wohnungslosigkeit.

Das macht nicht nur sozialpolitisch Sinn, sondern auch finanziell: Zusätzlich zur Miete, die über Sozialleistungen gedeckt ist, bekommt der Verein dafür 2,19 Euro pro Tag und Mieter von der Sozialbehörde, pro Monat etwa 65 Euro – in etwa so viel also, wie bei eintretender Wohnungslosigkeit für einen Tag in der Notunterkunft bezahlt werden müsste.

Was man aber auch hört: Dass es schon länger geknirscht haben soll, in Bezug auf den Führungsstil der Geschäftsführerin. Gerüchte kursieren, wonach sie so viel verdiene wie sonst nur SenatorInnen.

Im Herbst dann kam es zu einer Überprüfung durchs Sozialressorts. Der Bericht der Innenrevision zählt dabei Unregelmäßigkeiten auf – das wird der taz von unterschiedlichen Stellen bestätigt: Etwa, dass Wohnungen angemietet und zu einem höheren Preis weitervermietet worden seien. Oder, dass Unterstützungsbedarfe angemeldet, aber nicht belegt wurden. Vor allem aber hätten in Akten Nachweise erst gefehlt und seien dann im Nachhinein hinzugefügt worden. Das sei bei einem zweiten Prüftermin aufgefallen und wurde dann als Aktenfälschung gewertet – daher die Anzeige.

Für Andree Sniehotta, stellvertretender Geschäftsführer des Vereins, sind die Vorwürfe „eine Unverschämtheit“. Der Vorwurf, Akten später nachgebessert zu haben, stimme nicht: „Bei uns wird alles doppelt und dreifach dokumentiert.“ Im konkreten Fall seien die Akten nach der Überprüfung einfach ganz normal weitergeführt worden. „Das ist ein tagtäglicher Vorgang, da wurde nichts manipuliert.“ Dass Wohnungen höher weiter vermietet werden, bestätigt Sniehotta. Dies sei nötig, um die Kosten für die Ausstattung zu decken, für Gardinen oder Kücheneinrichtungen, die instandgehalten oder mal ersetzt werden müssten.

Der Vertrag mit der Stadt sei schon vor zehn Jahren geschlossen worden, erst 2013 hätte nun die erste Prüfung überhaupt stattgefunden. „Das war das blanke Chaos“, so Sniehotta: Die beiden Prüfer hätten zwei Mal zwei Tage lang den Betrieb komplett lahmgelegt. „Wir haben ihnen alles gegeben“, sagt er – auch in Fällen, in denen die Prüfer darauf überhaupt kein Recht gehabt hätten.

Ein Streit, der nun zwischen Verein und Behörde läuft und den die Wohlfahrtsträger in Bremen insgesamt ausfechten. Denn mit der grünen Sozialsenatorin wird die Linie der Überprüfung der Träger durchaus strenger gehandhabt – ein Mittel, das man bei den Trägern als Weg für Sparmaßnahmen interpretiert.

Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressorts, wollte zu den Vorwürfen gegen die Wohnungshilfe im Einzelnen „aus Gründen des Sozialdatenschutzes“ nicht Stellung nehmen. Zum Vorwurf, das Ressort hätte die Prüfrechte überschritten, erklärte er: „Die Bürger dürfen erwarten, dass öffentlich finanzierte Einrichtungen ihre Finanzmittel zweckentsprechend, wirtschaftlich und effektiv einsetzen.“ Eine „weitreichende Auslegung der Prüfrechte“, so Schneider, „liegt im Interesse der Allgemeinheit.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.