Teilung schreitet voran

Nach dem gescheiterten Misstrauensvotum gegen die Parteispitze laufen Mitglieder der Linkspartei in Schleswig-Holstein zur WASG über. Dort wiederum rebellieren zwei Kreisverbände

von Daniel Wiese

Der Streit in der Linkspartei Schleswig-Holstein nimmt groteske Züge an. „Liebe Freundinnen und Freunde der WASG“, beginnt ein Brief des derzeitigen Kreisvorsitzenden der Partei in Lübeck, Ragnar Lüttke, in dem er für Sonntag den Eintritt „sehr vieler Lübecker Mitglieder der Linkspartei“ in die WASG ankündigt.

Die Lübecker Genossen, so der Brief, wollten zwar nicht aus der Linkspartei austreten – das müssen sie auch nicht, weil der Bundesparteitag der Linkspartei am selben Wochenende die Doppelmitgliedschaft erlauben will. Die Mitgliedsbeiträge würden jedoch „reduziert“.

Seit am vergangenen Wochenende ein Misstrauensantrag gegen die umstrittene Landeschefin der Linkspartei, Edda Lechner, und den nicht weniger umstrittenen Bundestagsabgeordneten Lutz Heilmann knapp gescheitert ist, brodelt es an der Basis. Heilmann war wegen seiner verschwiegenen Stasi-Tätigkeit ins Kreuzfeuer geraten, Lechner, weil sie davon gewusst, aber nichts gesagt hatte.

Dass der neue Vorstoß gegen das Duo Heilmann / Lechner vom Kreisverband Lübeck kommt, ist pikant, weil es dieser Kreisverband war, der Heilmann aufgestellt hatte. Der Lübecker Kreisvorstand hatte ebenfalls von Heilmanns Vergangenheit gewusst und geschwiegen, weswegen er die Vertrauensfrage stellte – und zurücktrat, als er nur 50 Prozent der Stimmen erhielt.

„Wir haben einen Fehler gemacht, aber wir haben ihn auch eingesehen“, sagt Ragnar Lüttke, der seit diesem Rücktritt nur noch kommissarischer Kreisvorsitzender ist. Offenbar ist Lüttke mittlerweile völlig auf Anti-Heilmann-Kurs. In seinem Brief spricht er vom „Misstrauen gegen Heilmann und seine Verbündeten“. Mit dem Eintritt in die WASG wolle man die „heilmannkritischen Linken stärken.“

Tatsächlich sind die Bauchschmerzen über den Fall Heilmann in der WASG noch größer als in der Linkspartei. Seit Bekanntwerden der Vorwürfe hat der Vorstand seine Gespräche mit der Führung der Linkspartei eingefroren, doch einigen Kreisverbänden reicht das noch nicht. „Zensurverdacht: Maulkorberlass des WASG-Landesvorstandes?“, ist eine Erklärung überschrieben, mit der sich die Kreisverbände Lauenburg und Ostholstein vorgestern zu Wort meldeten. Der Parteivorstand, so der Vorwurf, versuche die Kritiker einer Fusion mit der Linkspartei mundtot zu machen.

Wahr ist, dass die WASG-Führung in Schleswig-Holstein nicht grundsätzlich gegen eine Fusion ist – sie lehnt lediglich Gespräche mit dem derzeitigen Landesvorstand ab. Es stimme, dass Beiträge der Kreisverbände Lauenburg und Ostholstein aus dem Verteiler genommen wurden, bestätigt Birger Heidtmann vom Landevorstand der WASG. Sie hätten „Beleidigungen“ und „persönliche Beschimpfungen“ enthalten. „Wir haben gesagt, dass wir das unterbinden, weil das mit Politik nichts zu tun hat.“

So erscheinen dieser Wochen die beiden Parteien, die sich doch vereinigen sollten, heillos in sich gespalten. Dem Vorstand der Linkspartei, der an Heilmann festhält, steht eine WASG-Fraktion gegenüber, die auch in ihrer eigenen Partei schon die „Handschrift der PDS zu erkennen“ meint und von „totalitären Verhältnissen“ warnt.

In der Mitte freilich ist Bewegung. „Es könnten ja auch Mitglieder der WASG in die Linkspartei eintreten“, schlägt der Lübecker Linkspartei-Vorsitzende Ragnar Lüttke vor. „Wären wir schon zusammen, hätte Heilmann keinen Rückhalt gehabt.“

Fusion durch gegenseitige Unterwanderung: vielleicht wird es ja doch noch etwas mit der vereinigten Linken im Norden.