Geteilter Schutz

Die CDU-Fraktion in der Bürgerschaft hat ein Herz für vernachlässigte Kinder, aber nicht für gewaltbedrohte Migrantinnen. GAL-Antrag nicht einmal in Ausschuss überwiesen

Kein Wort gegen Kinder: Nach dem Tod von Jessica und den weiteren bekannt gewordenen Vernachlässigungsfällen von Kindern sozial unterprivilegierter Eltern ist das Kindeswohl zur Herzensangelegenheit aller Hamburger Abgeordneten geworden. Und so erntete ein Antrag der SPD-Fraktion zur Verbesserung der Situation in den Hamburger Kitas, der von der CDU vor einigen Monaten noch in der Luft zerrissen worden wäre, in der gestrigen Bürgerschaftssitzung wärmstes Wohlwollen.

So sanft, als wolle er eine Kuschelrock-CD besingen, flötete der CDU-Abgeordnete Thorsten Kausch seiner SPD-Kollegin Andrea Hilgers „grundsätzliche Zustimmung“ ins Ohr, auch wenn die „Frage der Kosten“ nicht ganz ausgeblendet werden dürfe. Hilgers hatte gefordert, Kindern sozial benachteiligter Eltern den Zugang zu den Kitas zu erleichtern, die Sprachförderung und Bildungsangebote dort zu verstärken, 600 ErzieherInnen einzustellen und die Kostenpflicht für Kita-Essen wieder abzuschaffen. Der Antrag wurde, wie auch der Vorstoß der GAL, die Kitas nach britischem Vorbild zu Familienzentren weiterzuentwickeln, in den Kinder- und Jugendausschuss überwiesen.

Keine Gnade bei der Mehrheitsfraktion fand hingegen ein Antrag der GAL, im zuständigen Fachausschuss über den besseren Schutz von Migrantinnen vor häuslicher Gewalt zu diskutieren – die Überweisung wurde abgelehnt. Die GAL-Abgeordnete Verena Lappe hatte gefordert, die Integrationszentren zu Anlaufstellen für gewaltbetroffene Migrantinnen zu machen.

Weil Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) einen Bericht zur häuslichen Gewalt angekündigt habe, brauche man sich mit dem Anliegen der Grünen nicht zu befassen, befand die CDU-Abgeordnete Bettina Machaczek. Dass dieser Bericht sich gar nicht speziell mit der besonderen Situation von Migrantinnen beschäftigen soll, ändere daran nichts.

Lappe und ihre SPD-Kollegin Aydan Özoguz reagierten empört auf die Debatten-Verweigerung. „50 Prozent aller türkischstämmigen Frauen sind schon mal Opfer gewalttätiger Übergriffe geworden“, klagte Özoguz: „Da muss doch zumindest mal drüber geredet werden.“

Doch ihr Herz für gewaltbedrohte Migrantinnen hat die Christenunion noch nicht entdeckt. Marco Carini