HAMBURGER SZENE VON JAN KAHLCKE
: Lauter Dank

Allmählich wird es ihm etwas peinlich, wie die alte Frau mit dem Kopftuch unablässig auf Türkisch auf ihn einbrüllt

Was da abgeht, verstehe ich nicht. Was auch daran liegt, dass ich kein Türkisch verstehe, genau wie der blonde Mann an der Straßenecke. Und die alte Frau mit dem Kopftuch, die ihm höchstens bis zur Brust reicht, versteht offenbar kein Deutsch. Sonst würde sie ja nicht unablässig auf Türkisch auf ihn einbrüllen. Sie gestikuliert dazu wild in wechselnde Richtungen. Er hat einen fragenden Blick.

Ein paar Minuten geht das jetzt schon so, und allmählich wird es ihm etwas peinlich. Er sucht Blickkontakt und wendet sich dann mir zu: „Sie hat gefragt, wo hier eine Moschee ist“, sagt er. Woher er das weiß? „Ich habe einen Freund in Berlin angerufen, der Türkisch spricht, und der hat dann hin- und hergedolmetscht.“ Ja, und? „Dann habe ich ihr erklärt, welche Moscheen ich im Viertel kenne und wo die liegen.“ Eigentlich ganz nett von ihm, ist auch ein sympathischer junger Mann. Warum keift sie ihn bloß so an?

Der Berliner ist nicht mehr am Telefon. Ein älterer Mann kommt dazu. Er scheint auch türkischer Herkunft zu sein. Er hört dem Geschrei der Frau eine Weile zu und übersetzt dann: „Sie will sich herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie so freundlich waren.“ Die Frau verstummt und lächelt. Auf die Idee, in den türkischen Gemüseladen zu gehen, vor dessen Tür sie stehen, sind sie beide nicht gekommen.