„Mathe braucht man nicht“

VORTRAG Die Mutter zweier Schulverweigerer redet über Bindungspsychologie und Reifeleistung

■ 53, ist Diplom-Biologin und lehrt die Theorien des Bindungs- und Entwicklungsforschers Neufeld. Ihre 17- und 14-jährigen Söhne besuchen seit 2005 keine Schule.

Frau Neubronner, Ihr älterer Sohn hat gerade seinen Hauptschulabschluss mit einem sehr guten Notendurchschnitt gemacht, obwohl er nur zwei Jahre lang zur Schule gegangen ist. Wer hat ihn denn unterrichtet?

Dagmar Neubronner: Niemand. Er hat einfach nur ein paar Wochen Vorbereitungszeit gebraucht. Er wollte ja auch nicht beschult werden, weder in einer Schule noch zu Hause.

Und wie ist er dann auf die Idee gekommen, jetzt einen Abschluss zu machen?

Das hat er auf Druck der erweiterten Familie gemacht, also nicht auf Druck seiner Eltern. Deswegen will er auch noch seinen Realschulabschluss machen. Er will einfach in Zukunft seine Ruhe haben. Aber um meine Söhne geht’s bei meinem Vortrag eigentlich gar nicht.

Sondern?

Ich bringe moderne naturwissenschaftliche Erkenntnisse in eine verständliche Form. Dabei geht es um die Grundlagen dafür, warum Lernen auch ohne Schule so gut funktioniert. Das hat etwas mit Bindungspsychologie zu tun. Das ist genau das Gegenteil der klassischen Konditionierung, die in Elternhäusern und Schulen betrieben wird: Eine Reifeleistung des Kindes kann nur stattfinden, wenn es sich geborgen und nicht unter Druck gesetzt fühlt.

Und dann kommt ein Kind irgendwann von ganz alleine auf die Idee, sich Mathematik oder Latein anzueignen?

Mathe braucht man nicht, und alles, was ohne Freude und Motivation gelernt wird, ist ganz schnell wieder weg. Aber keiner muss fürchten, dass Kinder ohne Schule nichts lernen wollen. Sie kommen eigens auf den Planeten, um sich einzumischen!

Warum gibt es dann überhaupt noch ein verordnetes Schulsystem?

Aus ökonomischen Interessen, damit möglichst viele Eltern in Vollzeit arbeiten gehen. Und dann darf man natürlich die Trägheit eines zentralistisch verwalteten Staatsapparates nicht unterschätzen.  INTERVIEW: SCHN

19 Uhr, Clubraum im Hotel Goedekens, Bremen-Horn