Spionen auf der Spur

KUNST Nach seiner Kindheit in Meckelstedt entwickelte Fabian Reimann ein gesteigertes Interesse am Kalten Krieg. Derzeit zeigt der Kunstverein Hannover seine Arbeit „Amateur und Überflieger“

Als Kind hat sich Reimann immer über die Luftschutzsirenen gewundert

Fabian Reimanns Ausstellungskataloge zeigen nicht nur Fotos seiner Kunst, sie sind auch komplexe Bücher. Seine literarisch geprägten Arbeiten machen das nötig: Sie zu erschließen, ist nicht ganz einfach.

Im Kunstverein Hannover ist derzeit eine multimediale Installation Reimanns zu sehen, sie ist in Teilen das Ergebnis des einjährigen „Nachwuchsstipendiums Niedersachsen“, das er im Jahr 2011 erhalten hat. Der Titel der Arbeit lautet „Amateur und Überflieger“. Sie geht in unterschiedlichen Medien wie Installation, Fotografie, Malerei , Zeichnung und Text auf mysteriöse Lebensgeschichten ein.

Die beiden Protagonisten der Installation sind zwei Spione. Zum einen Rudolf Abel, Oberst des sowjetischen KGB, der zwischen 1948 und seiner Enttarnung 1957 in den USA tätig war. Und zum anderen der amerikanische Pilot Francis Gary Powers, 1960 in seiner Lockheed U2-Aufklärungsmaschine über sowjetischem Terrain abgeschossen. Beide wurden 1962 auf der Glienicker Brücke bei Potsdam gegeneinander ausgetauscht und eröffneten damit eine mythenträchtige Agenten-Ära, die sich ergiebig in Agententhrillern niederschlug.

Er selbst komme ja aus dem sicheren „Yogurette-Westen“, sagt Fabian Reimann, 37, der in Meckelstedt zwischen Bremerhaven und Cuxhaven auf die Welt kam, in Bremen studierte und mittlerweile in Leipzig lebt. Die deutsch-deutsche Grenze war weit weg, eine konkrete Bedrohung somit nicht vor Augen. Aber als Kind habe er sich immer gewundert, weshalb selbst im kleinen Meckelstedt die Luftschutzsirenen regelmäßig zu Übungszwecken ertönten. So sei sein Interesse an Phänomenen des Kalten Krieges entstanden, die er seit Jahren mit kulturhistorischer Akribie ergründet und als Ausgangspunkte künstlerischer Umsetzungen nimmt.

Reimann ging den Spuren Rudolf Abels nach, der sich im Laufe seines Lebens viele Identitäten zulegte. Zur Tarnung seines Lebenswandels in den USA gab Abel den Amateurkünstler, malte und fotografierte in einem New Yorker Atelierhaus. Reimann las die Akten des FBI, die so geschwärzt waren, dass sie kaum noch Informationen boten. Die fotografische Tatortdokumentation des Ateliers war ebenfalls miserabel, und auch die über einhundert von Reimann kartierten ehemaligen Übergabestellen geheimen Materials nährten eine Agentenlegende, bezeugten aber keine verlässliche Wahrheit.

So wurde Reimanns Thema das Sichtbarmachen des Unsichtbaren. In seinen bildnerischen Techniken greift er zu komplizierten Übersetzungen: Die leeren New Yorker Übergabestellen, die „Dead Drops“, hält er in kleinen runden Linolschnitten fest und gibt sie als Bleistift-Frottagen wieder. Sie erscheinen nun wie Gedenkmünzen oder Medaillen.

Die Malereien Abels, die das FBI in dessen New Yorker Atelier fotografiert hatte, malte Reimann anhand der FBI-Fotos nach, ließ sie röntgen und in Details als Negative ausdrucken. Hier wird eine kriminalistische Technik, die sonst nur bei echten Kapitalverbrechen angewandt wird, ad absurdum geführt: Sie kann nicht den geringsten Nachweis liefern, reflektiert aber jene Ermittlungsverfahren, die Künstler der Spionage verdächtigten und in ihren unschuldig scheinenden Gemälden versteckte topografische Pläne oder Nachrichten vermuteten.

Reimanns Arbeiten stehen für politische Konstellationen, in denen Bedrohungsszenarien konstruiert werden, um restriktive Rechtszugriffe zu legitimieren. Dokumentarischer Wahrheitsanspruch und narrative Fiktion verflechten sich bei ihm in verschiedenen Medien.BETTINA MARIA BROSOWSKY

Fabian Reimann: „Amateur und Überflieger“. Bis zum 31. März, Kunstverein Hannover