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Die kritische Masse – Film im Untergrund, Hamburg ’68 Deutschland 1998, R: Christian Bau

Warum soll das Olympische Feuer 1968 nur für die Winterspiele in Grenoble brennen, aber nicht auch in Hamburg? Ein paar Filmmacher, alles Kerle mit Bart, holten das Feuer für die selbstorganisierte „Erste Hamburger Filmschau“ in die Stadt. Und – wen wundert’s – filmten sich gegenseitig dabei. Ob sie sich in formvollendeter Selbstüberschätzung tatsächlich so bedeutend fanden oder es eine selbstironische Spaßaktion war, sei dahingestellt. Vermutlich eine Mischung aus beidem. In jedem Fall herrschte: Auf- und Ausbruchstimmung. Auf zu neuen Filmsprachen und Ausdrucksformen, raus aus dem repressiven Mief der Adenauerära. Konventionen brechend experimentell Filmen – auf diese Weise brachen aus den autoritären deutschen Tugenden aus.

In Hamburg entstand eine kritische Masse von jungen FilmemacherInnen, die ein „anderes Kino“ wollten. Während der 1. Hamburger Filmschau gründeten sie die „Hamburger Filmmacher-Cooperative“, als selbstorganisiertem Zusammenschluss. Als Büro diente in der Anfangszeit das Wohnzimmer von Werner Nekes und Dore O. Leider gab es wenige Abspielstätten, die an den experimentellen Filmen der Coop-FilmerInnen interessiert waren. Oder sie konnten sich die Miete von 3 Mark pro laufendem Filmmeter nicht leisten. Wie konnte die Coop überhaupt trotzdem existieren jenseits der kommerziellen Filmwirtschaft? Davon handelt „Die kritische Masse“. Christian Bau, selbst am Hamburger Filmaufbruch in den swinging sixties beteiligt, hat für seine Dokumentation viele der damals Beteiligten befragt. In den Interviews schwingt eine Vertrautheit mit, wie sie aus einem gemeinsamen Engagement entstehen kann. Wie die Filmmacher-Coop in ihrer Sturm-und-Drang-Zeit. Franz Winzentsen bringt es auf den Punkt, wenn er im Gespräch erklärt, er hätte bei den Coop-Treffen nicht nur Dinge voranbringen wollen, sondern auch seine Freunde getroffen. Und dass gilt nicht nur für das Entstehungsjahr von „Die kritische Masse“, das ist auch heute noch so.

Neben den Interviewsequenzen enthält „Die Kritische Masse“ auch zahlreiche Filmausschnitte, die in ihrer Unterschiedlichkeit und kreativen Vielfalt auch heute noch eine Herausforderung für die Sehgewohnheiten darstellen. Die Klammerteile hat Christian Bau so montiert, dass sie mit den Aussagen der Filmschaffenden im Dialog stehen, ihnen eine andere Dimension, Perspektive geben. Und es geht um die Erprobung neuer Techniken, um die Kosten zu senken: Alle Macht Super-8! So liefert sein Film einen guten Überblick über die rund um die Coop entstandenen Produktionen. Bau verwebt Gespräche und Filmausschnitte zu einem Bild- und Klangteppich, der zu einer Zeitreise einlädt. Die sich jetzt fast schon doppelt, ist der Film doch bereits 15 Jahre alt und die Befragten überraschend jung.  MORITZ HERBST

So, 19 Uhr, Sa, 20 Uhr, B-Movie, Brigittenstraße 5, Hamburg. Am 24. 3. ist Christian Bau zu Gast