der süßliche schleim im munde reinhold messners von WIGLAF DROSTE
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Reinhold Messner verbände, wenn das Wort in diesem Zusammenhang nicht so ganz und gar sinnlos wäre, eine Geistesverwandtschaft mit Franz Beckenbauer und André Heller. Letztere werden die Welt wenigstens noch bis zum Endsommer 2006 aggressiv mit ihrer Erscheinung quälen. Messner hat zum selben Zweck schon in diesem Herbst ein neues Buch veröffentlicht: „Gobi“ – ich las es, für Sie, weil auch ich einmal ein Servicejournalist sein wollte, ein Jesus. Als ich mit den 265 Seiten und den zahlreichen Fotos des Autors fertig war, stöhnte ich: „Es ist vollbracht!“ Und sagte aber auch: „Vater, vergib ihm auf gar keinen Fall!“

Das Beste an Messners „Gobi“ ist der Untertitel: „Die Wüste in mir“. Das stimmt, da hat Reinhold Messner nicht übertrieben. Für alle, die es nicht wussten oder wissen wollten, hat er es letztgültig dokumentiert: In diesem Mann ist nichts als ein monströs ödes Ich-Ich-Ich. „Die Idee, die Wüste Gobi zu durchqueren, kam mir erstmals nach dem Alleingang am Mount Everest. Höher konnte ich nicht mehr steigen. Also dachte ich an die Weite“, schreibt Messner, ganz so, als ob das logisch wäre. Wenn man denn denken könnte, könnte man an etwas anderes denken als an bundesjugendspieletaugliche Ziele wie höher oder weiter, aber Messner muss es so haben: „Mit einem Rucksack losziehen und immer weitergehen wollte ich. In der Leere dem Nichts entfliehen.“ Oder im Nichts der Leere? In Messners Bergsteigerflachheiten-Esoterikdiktion ist längst alles wurscht.

Von Reisenden, die in der Mongolei unterwegs waren, hörte ich die bezauberndsten Dinge über Menschen und Landschaft – von Reinhold Messner erfährt man nur, dass Reinhold Messner dort war und das bedeutsam findet. Immerzu ist er mit sich selbst beschäftigt, und die Worte „Ich“, „mir“, „meine“ tauchen in einer Häufigkeit auf, die jeden Rekord bricht. In den olympischen Disziplinen Aufplustern und Weitwichsen schlägt die Südtiroler Gesichtsmatratze Konkurrenten wie Günter Grass oder Horst Köhler um Längen.

Immerzu forscht und fummelt Messner in sich herum. „Warum habe ich nicht zwei gute Füße, denke ich“, schreibt er – „denke ich“ ist sehr gut gesagt. Sollte in einem Reisebuch, das „Gobi“ heißt, diese Wüste nicht wenigstens am Rande vorkommen? Nein, nicht bei Messner. Lieber betrachtet er seinen Körper und teilt die Ergebnisse umständlich und brühwarm mit: „Auch habe ich einen sonderbaren Geschmack und süßlichen Schleim im Mund.“ Ah ja. An anderer Stelle fragt er sich: „Ob ich noch klar im Kopf bin?“ – beantwortet die Frage aber selbst vorschnell mit „ja“, um sich zum Beweise des Gegenteils wieder seinen von Charles Darwin und Luis Trenker vorgestanzten, beschränkten Selbstbetrachtungen hinzugeben.

Wozu in die Gobi schweifen / wenn das Doofe liegt so nah? Reinhold Messner hätte auch eine Million Mal einen Sandkasten oder einen Parkplatz umrunden können. Er ist der klassische blinde Passagier: Reinhold Messner latscht um die ganze Welt und bemerkt nichts als Reinhold Messner. Dass er damit Bücher anfüllt, kann man ihm nicht ankreiden, sondern nur den Verlegern und Lektoren vom S. Fischer Verlag, die vielleicht rechnen, aber nicht lesen können.