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: Eintopfen mit Joseph Blatter

Nun hat es Leipzig also doch noch geschafft, in den Rang einer Weltsportmetropole aufzusteigen – für einen Tag. In der Stadt an der Pleiße ist am Freitag „die Welt zu Gast bei Freunden“. Es werden die Vorrundengruppen zur Fußball-WM ausgelost. Die Hotels sind ausgebucht. Der Promi-Auftrieb ist gewaltig, der rote Teppich rekordheischend lang. Die Fernsehanstalten haben ihren Reportern Freigang im großen Stile gewährt.

Nachdem der sächsische Anwärter auf die Sommerspiele 2012 jüngst gewogen und für zu leicht befunden wurde, wird nun in anderen Dimensionen gedacht. Zuständig dafür ist der Weltverband Fifa, der das Event im Messezentrum mit dem Anstrich höchster Wichtigkeit versieht. Die ARD verkauft den Griff in fünf Töpfe als abendfüllendes Ereignis mit Showprogramm, präsentiert von Reinhold Beckmann und Heidi Klum, die der Welt zeigen darf, wie blond, lustig und locker die Deutschen sind.

An diesem Freitagabend wird keiner mehr fragen, wie die bunten Kugeln mit dem Schraubverschluss in die Töpfe gekommen sind, welche Kriterien ausschlaggebend waren. Es ist ja auch gar nicht so einfach, den Hintersinn der Fifa zu erfassen, die hehren Idealen verpflichtet ist wie Fairness und Gerechtigkeit, Kommerz und Proporz. Diese Motive spiegeln sich auch im Eintopfverfahren wider – als stille Koeffizienten und heimliche Faktoren. Noch einmal zur Erklärung: 32 Teams werden in einer Leipziger Messehalle auf acht Gruppen verteilt, von solchen Größen wie Lothar Matthäus oder Johan Cruyff. Die Deutschen sind als Kopf der Gruppe A gesetzt; sie genießen als Ausrichter Artenschutz, was angesichts der Weltranglistenposition 16 ein Akt der Barmherzigkeit ist.

Brasilien darf als mehrmaliger Weltmeister und Ranglistenprimus Topf F entern. Das mag logisch nachvollziehbar sein. Doch nun wird es kompliziert, denn die Fifa orientiert sich nur vage an der eigenen Weltrangliste. Zusätzlich zieht sie das Abschneiden bei den vergangenen drei Weltmeisterschaften (1994, 1998, 2002) zu Rate. Doch, welch Skandal, die Niederlande befinden sich nicht unter den besten acht Mannschaften der Welt, obwohl der Nachbar in der Weltrangliste Dritter ist und in der WM-Wertung nach taz-Berechnungen – Summe der erzielten Punkte – auf Platz 7 liegt. Die Niederlande wurden von der Fifa zurückgestuft. Offensichtlich wog die verpasste Qualifikation für das Turnier in Japan und Südkorea doppelt schwer. Außerdem kümmert sich die Fifa nicht um die Ergebnisse einer Fußball-EM, was selbst Oliver Bierhoff ungerecht findet, Chefkommunikator des Nationalteams.

Die USA stehen dafür in der Fifa-Liste verblüffend weit vorn, aber das tun die Vereinigten Staaten ja auch in der Weltwirtschaft. Ferner taucht Mexiko unter den Topteams auf, aber Lateinamerika hat eben auch seine Ansprüche. Die Arithmetik mag versagen, die Fifa macht trotzdem ihre Rechnung auf. Fifa-Chef Joseph Blatter hat ohnehin alle Hände voll zu tun, seine große Fußballfamilie zufrieden zu stellen – und sei es mit einer eiligen Umtopfung. Blatter hat sich dabei die Hände nicht schmutzig gemacht: „Wirtschaftliche Gesichtspunkte haben wir nicht berücksichtigt“, verkündete er. Das tut die Fifa grundsätzlich nie.

MARKUS VÖLKER

Mitarbeit: Christian ZingelLostopf 1: Deutschland, Brasilien, Italien, Argentinien, England, Spanien, Frankreich, Mexiko; Topf 2: Angola, Elfenbeinküste, Ghana, Togo, Tunesien, Australien, Ecuador, Paraguay; Topf 3: Kroatien, Tschechien, Polen, Ukraine, Portugal, Schweden, Schweiz; Topf 4: USA, Costa Rica, Trinidad/Tobago, Iran, Japan, Südkorea, Saudi-Arabien; Topf X: Serbien-Montenegro