DIE FORMULIERUNGSKÜNSTE DER USA ÄNDERN NICHTS AN DER FOLTERPOLITIK
: Alles klar, keiner weiß Bescheid

Es ist peinlich, wie sich die US-Regierung windet und wendet angesichts der Kritik an ihrem Umgang mit Terrorverdächtigen. Seit Tagen werden in den Medien Halbsätze ausgewrungen, Betonungen erörtert und Begriffe wie die „entwürdigende Behandlung“ analysiert.

US-Außenministerin Condoleezza Rice habe bei ihrem Besuch in Kiew mit ihren Ausführungen zur Folter von Gefangenen einen neuen Kurs der US-Politik eingeläutet, waren sich Beobachter gestern noch sicher. Die USA erlauben ihrem Personal, so Rice, weder zu Hause noch anderswo die grausame, unmenschliche oder entwürdigende Behandlung von Gefangenen. Einen Tag später ist die Verwirrung wieder so groß wie zuvor. Was bedeutet Rice’ Aussage hinsichtlich der US-Praktiken, Gefangene in andere Länder zu bringen, in denen gefoltert werden könnte? Die US-Außenministerin hat keinesfalls Klarheit geschaffen – und auch keineswegs neu definiert, wie die USA mit Terrorverdächtigen künftig umgehen wollen.

US-Justizminister Alberto R. Gonzales hatte Anfang 2003 öffentlich erklärt, dass die amerikanische Regierung den Standards des „Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen“ entsprechen möchte, sich aber juristisch nicht an sie gebunden sehe, sondern lediglich an die amerikanische Verfassung und ihre 5., 8. und 14. Amendments.

Condoleezza Rice hat diese Sicht nur bestätigt, als sie Reportern schon auf ihrem Flug nach Europa erläuterte, dass sich die USA an ihre Interpretation der internationalen Abkommen halten. Zeitgleich wurden in den letzten beiden Jahren Staatsangehörige anderer Länder von den USA entführt, Gefangene mit fingierten Exekutionskommandos gequält und erniedrigt. Das bedeutet im Kern nichts anderes, als dass die Regierung von George Bush immer noch selbst definieren will und wird, was grausam, unmenschlich und erniedrigend ist. Diese Haltung ist bei aller juristischen und diplomatischen Wortdrechselei völlig inakzeptabel.

ADRIENNE WOLTERSDORF