Grüne werden wieder etwas APO

„Grüner Ratschlag“ in Bonn soll Diskussion mit sozialen Bewegungen wieder aufnehmen. Doch die Grünen-Spitze öffnet sich derzeit in Richtung CDU

BERLIN taz ■ Die grüne Linke möchte sich wieder den sozialen Bewegungen öffnen. Zu diesem Zweck veranstalten acht vornehmlich nordrhein-westfälische Kreisverbände am Wochenende in Bonn einen „Grünen Ratschlag“, zu dem sich 150 grüne und nicht grüne Teilnehmer angesagt haben.

„Es geht nicht darum, uns denen jetzt an die Brust zu werfen und zu rufen: ‚Habt uns wieder lieb!‘ “, erklärt der Dortmunder Bundestagsabgeordnete Markus Kurth. Aber er sehe seine Partei nach 7 Jahren Bundesregierung in der Pflicht, „uns dem außerparlamentarischen Spektrum zu erklären“. Sollten die Grünen je wieder mitregieren, müssten die Bewegungsspielräume eines kleinen Koalitionspartners realistischer eingeschätzt werden, „um eine Welle der maximalen Enttäuschung, wie nach 1998“ zu verhindern.

Hierzu haben die „Ratschläger“ Diskutanten von Attac, aber auch von Gruppen eingeladen, denen gewiss gar keine Parteinähe nachzusagen ist – etwa die Bundeskoordination Internationalismus. Thema des „Ratschlags“ ist alles: von Kapitalismuskrise über Gentechnik bis Grundeinkommen. Das ist viel und öffnet dazu nicht unbedingt „parlamentarische Perspektiven“, gibt Kurth zu. „Aber es ist ein erster Aufschlag, dem Riesenbedürfnis nach inhaltlicher Diskussion in der Partei entgegenzukommen.“

Aus der Bundestagsfraktion kommen auch die Exverbraucherministerin Nordrhein-Westfalens, Bärbel Höhn, und der Berliner Allround-Linke Christian Ströbele nach Bonn. Ströbele will über solche Veranstaltungen „mittelfristig“ den Ausblick auf eine rot-rot-grüne Regierung eröffnen. Er gehöre „zu denen, die der großen Koalition keine vier Jahre geben“. Da wolle er rechtzeitig „klare Positionen“ zu Erbschafts- und Vermögensteuer sowie Investitionsprogrammen entwickeln. Die Grünen „haben hier wieder Boden gut zu machen“. Was die große Koalition derzeit durchziehe, etwa die Angleichung des Arbeitslosengeldes II Ost und West, seien Forderungen, bei denen „hat man sich bei uns noch Anfang des Jahres mit dem Ausdruck des Genervtseins beiseite gedreht“. Kurth wie Ströbele meinen, dass die Grünen ihr relativ gutes 8,1-Prozent-Wahlergebnis nur erreichten, weil sie pünktlich zum Wahlkampf Inhalte und Etikett einer „modernen Linken“ verwendeten – ein Begriff, der freilich ab dem 18. September wieder verschwand. Die Grünen-Spitze ist seither eher mit der sanften Öffnung zur Union hin beschäftigt. So verstehen die Fraktionschefs Fritz Kuhn und Renate Künast in einem internen Thesenpapier zur Oppositionsarbeit unter Sozialstaat vor allem eine „Grundsicherung“. Und Parteichef Reinhard Bütikofer fällt unter neuen grünen Wirtschaftszielen als Erstes der „Bürokratieabbau“ ein.

ULRIKE WINKELMANN